PRO & Contra: Soll das Fluxus-Auto in der Schiffbauergasse „parken“?
PRO & Contra Der Berliner Geschäftsmann Heinrich Liman will am Kulturstandort Schiffbauergasse sein Museum „Fluxus plus“ errichten lassen – in Form eines riesigen Autos. Und das in der Weltkulturerbestadt!
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PRO & Contra Der Berliner Geschäftsmann Heinrich Liman will am Kulturstandort Schiffbauergasse sein Museum „Fluxus plus“ errichten lassen – in Form eines riesigen Autos. Und das in der Weltkulturerbestadt! Und dann noch aus Aluminium! Wie schockierend! Doch genau bei diesem Entsetzen sollte auch Folgendes bedacht werden: Wer bei der Stadtgestaltung nur immer die Ästhetik früherer Jahrhunderte vor Augen hat, gerät schnell in den Verdacht, päpstlicher als der Papst zu sein. Das Fluxus-Museum, ausgestattet hauptsächlich mit den Werken des Künstlers Wolf Vostell, könnte ein gelungener Kontrapunkt sein, eine Ausnahme von der Regel, ohne die das Denken dogmatisch wird. Die Devise Potsdams kann nur sein, das Gute von vorgestern, gestern und heute zu bewahren. Wer die Moderne vernachlässigt, gewinnt den Ruf museal zu sein. Nichts könnte eine Stadt, die Ansiedlungen aus der Internetbranche feiert, schlimmer treffen, als ein verstaubtes Image. Liman bietet Potsdam zudem die Chance einer nachholenden Entwicklung. Die sozialistische Kunst hatte auch ihre Qualitäten, doch durch die rigide Kulturpolitik der DDR wurden Etappen der Kunst verpasst und außen vor gelassen. Ihre Spuren fehlen. Die Fluxus-Kunst hatte ihre Glanzzeit in den 50er und 60er Jahren. Fluxus-Kunst bezeichnet das Schaffen des Künstlers mitten in den Handlungen des Alltages „als Akt des Fließens, eine kontinuierliche Bewegung oder Entschwinden, wie bei einem fließenden Strom, eine andauernde Folge von Veränderungen“. Genau diese Dimension der Leichtigkeit künstlerischen Arbeitens sollte auch in Potsdam präsent sein. Zudem sprechen weitere Aspekte dafür, das Fluxus-Auto in Potsdam vorfahren zu lassen: Liman will keine Fördergelder, er verspricht 50000 Besucher im Jahr und man kann das Vehikel der Bäume wegen vom Babelsberger Park her nicht einmal sehen. Schade eigentlich. Guido Berg Von Konservierung muss man nicht gleich sprechen, zugegeben. Das tun die freien Kulturträger, die an der Schiffbauergasse ansässig sind und fürchten, ihr Standort würde zu einem Museum, wenn das Fluxus-Auto kommt. Dies ist sicherlich nicht zu befürchten, handelt es sich doch bei Fluxus um moderne, zeitgenössische Kunst, die kein staubiges Image mitbringt. Dennoch sollte das Fluxusmobil nicht ohne weiteres eine Parkerlaubnis an der Schiffbauergasse erhalten – so begrüßens- und lobenswert die Initiative des Mäzenen sein mag. Denn Potsdams neuer Kulturstandort ist ein sensibles Gefüge. Schon die Mischung hat es in sich, kulturell gesehen. So müssen ernsthafte Überlegungen angestellt werden, in welcher Weise dieser „Integrierte Kulturstandort“ tatsächlich wachsen kann. Wichtig ist dabei nicht nur, dass die freien Kulturträger vor Ort in die Planungen einbezogen und von Ideen in Kenntnis gesetzt werden. Es muss endlich ein Konzept her, das Management und Marketing unter einen Hut bringt, dem Kultur-Flagschiff Potsdams eine Richtung gibt. Bisher gibt es nicht einmal eine Dachmarke – wie soll da entschieden werden können, ob Fluxus in das Ensemble passt? Bis es soweit ist, sollte sich der Mäzen noch gedulden – dass er es muss, darf er der Stadt natürlich auch bedingt übel nehmen. Denn die Verantwortlichen sind spät dran mit ihren Konzepten – gleichwohl dürfen sie den Fluxus-Liebhaber nicht vergraulen. Zu oft schon sind Interessenten aller Art wieder verschwunden, weil sie sich in Potsdam nicht willkommen fühlten. Dies darf im Falle Fluxus nicht passieren. Allerdings sind etwaige Versäumnisse und Komplikationen kein Grund dafür, jedem Ansiedlungswilligen, dessen Engagement der Stadt entgegenkommt, einen Freibrief auszustellen. Befürchtungen der Kulturschaffenden müssen ernst genommen werden. Denn die Schiffbauergasse muss ihr Geld so schnell wie möglich einspielen – als Ganzes. Sabine Schicketanz
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