Landeshauptstadt: Sozialdemokrat der ersten Stunde
Georg Bardeleben blickt auf 84 Jahre seines Lebens zurück, davon sechs Jahrzehnte in Groß Glienicke
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Georg Bardeleben blickt auf 84 Jahre seines Lebens zurück, davon sechs Jahrzehnte in Groß Glienicke Groß Glienicke – Die Zeiten für einen alten Sozi wie ihn sind schwer, sagt Georg Bardeleben. Er ist Sozialdemokrat aus Überzeugung, nun nimmt er zum 84. Geburtstag Abschied. Bardeleben zieht um, in eine altersgerechte Wohnung. Den Groß Glienickern bleibt er als SPD- Mitglied und im AWO-Ortsverein erhalten. Denn Bardeleben gehört wohl zu diesem Ortsteil wie Sanssouci zu Potsdam. Neujahr 1990: Georg Bardeleben tritt in die SPD der DDR ein – kaum drei Monate nach deren Gründung. Sein Schritt war zu dieser Zeit für viele nichts Ungewöhnliches, aber für ihn schon. „Ich musste mehr als 50 Jahre auf diesen Tag warten“, erinnert er sich. Anfragen der Einheitspartei SED – er gehörte als Bauhandwerker sozusagen zur Arbeiterklasse – hatte er die Jahre über ignoriert. Im Frühjahr 1990 gründete er mit Weggefährten den SPD-Ortsverein. Er stammt schließlich aus einer sozialdemokratischen Familie. Als er 18 Jahre alt wurde, war die SPD bereits seit knapp sechs Jahren verboten. Sein Vater war von 1906 bis zur Machtergreifung durch Adolf Hitler im Februar 1933 aktiver Sozialdemokrat, diese Haltung hat er damals Georg mit auf den Weg gegeben. In einem Anfang der 60er Jahre auf Band aufgezeichneten Gespräch in Bad Freienwalde, wo die Eltern ihren Lebensabend verbrachten, erzählt sein Vater von einer Begegnung mit Karl Liebknecht, einige Jahre vor dem Ersten Weltkrieg. Damals habe Liebknecht ihn als Anwalt für seinen sozialdemokratischen Verein vor Gericht vertreten. Georg Bardeleben ist am 2. Januar 1921 in Schöpfurth, dem heutigen Finowfurt, geboren. Daran hat er nur vage Erinnerungen, denn 1924 wollte seine Mutter zurück in ihr Berlin. In Mitte, einen Steinwurf vom Wedding entfernt, betrieben die Eltern eine Kneipe. Nach der damals üblichen Acht-Klassen-Schule ging er in die Bäckerlehre. Sein Meister gab jedoch nach einem Jahr das Geschäft auf und Georg musste sich etwas anderes suchen. Er wurde mit 15 Jahren Arbeitsbursche in einer Metallfabrik im Wedding. „Als ich 16 war, musste ich zum Reichsarbeitsdienst und mit 18 zum Militär. Am 26. August 1939 war dann die Einberufung zu einer großen Übung“, die dann knapp sechs Jahre dauern sollte: der Zweite Weltkrieg. Im Juni 1941 kam er zum ersten Mal nach Groß Glienicke und lernte seine Frau Gisela kennen, drei Jahre später war die Hochzeit. Doch dazwischen lagen Ostfront und amerikanische Kriegsgefangenschaft. Im Oktober 1946 kehrte er nach Groß Glienicke zurück. Das war recht problematisch, denn entlassene deutsche Kriegsgefangene durften nicht so einfach von der amerikanischen in die sowjetisch besetzte Zone. Aber auch russische Grenzer waren bestechlich. Die Arbeitssuche nach dem Krieg war problematisch, im Sommer 1953 begann er als Hucker (die mussten früher die Steine auf das Baugerüst tragen) bei der Bau-Union in Potsdam. Später wechselte er zum Bauhof in der Bauhofstraße und hat zum Beispiel an der Rekonstruktion des Alten Rathauses mitgewirkt. 1969 konnte er den letzten Meisterlehrgang für Maurer mit Schulabschluss 8. Klasse absolvieren, danach gab es kein Halten mehr. Er wollte selbstständig sein, arbeitete als Gemeindemaurer von Groß Glienicke und blieb hartnäckig. Am 1. Januar 1971 erhielt als seine Gewerbegenehmigung als Maurermeister. „Mein schönster Auftrag war der Giebel unser Kirche“, weiß er noch. In den 15 Jahren bis zur Rente hat er viel gesehen und viele Häuser verputzt, darunter 20 Einfamilienhäuser und sein eigenes in der Potsdamer Chaussee. Doch darin wohnt er schon lange nicht mehr, denn auch das wollte nach 1990 jemand zurück haben. Heute verfällt es langsam. Georg Bardeleben ist eigentlich ruhig, beinahe zurückhaltend. Doch als im August 1961 der Stacheldraht am Seeufer ausgerollt wurde, spürte auch er ohnmächtige Wut. Bereits im Frühjahr 1962 stand die erste Mauer, der Postenweg wurde angelegt und Hundelaufleinen installiert, dazwischen standen überall Beobachtungstürme. Das Zusammenleben in der Gemeinde war so gut wie eingefroren. „Wir waren alle sehr verbittert“, sagt er. Immerhin hatten die Groß Glienicker damals bereits 16 Jahren lang mit dieser Grenze leben müssen. Ab 1954 wurden seines Wissens nach „missliebige Personen“ ausgesiedelt. „Die durften nur ihr Handgepäck mitnehmen“, erinnert er sich. Die leer stehenden Häuser bezogen meist Offiziere, die auf Dauer im Ort blieben. Später kamen noch mehr Militär- und Stasiangehörige und siedelten sich an. „Heute erzählen die jedem, sie hätten hier alles aufgebaut“, wundert sich Georg Bardeleben. Aber er kenne sie alle. Der Aufbau des SPD-Ortsvereins habe viel Kraft gekostet, aber auch viel Freude bereitet, denn dazu habe sich die neu gewonnene Freiheit gesellt. Doch nach sechs Jahren, Georg war gerade 75, starb seine Frau. Jeder im Dorf kannte sie, viele Jahre hatte sie jeden Tag das Mittagessen für die Kindereinrichtungen im Ort gekocht. Später für den halben Ort. Seitdem lebt er allein, will auch allein zurecht kommen. Doch jetzt bot sich der Umzug in die neue altengerechte Wohnanlage in der Waldsiedlung an - für ihn symbolisch eine gute Nutzung der alten Kaserne. Winfried Gutzeit
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