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Von Henri Kramer: Sozialstunden im Orchester

Am Sonntag feiert das Tanzstück „Break Classics“ seine Premiere – ein Projekt mit Gegensätzen

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Im Lehrerzimmer des ehrwürdigen Helmholtz-Gymnasium kracht es, als würde die Decke herunterkommen. Just über dem Lehrerraum befindet sich die Schulaula, dort stampfen Dutzende Schüler mit ihren Füßen auf den Boden und schlagen mit der flachen Hand auf Plastikfässer. Diese Szenerie gab in den vergangenen Wochen häufiger – doch solche Proben haben nun ein Ende. Die vermeintlichen Krachmacher haben am Sonntag ihren großen Auftritt im Nikolaisaal, zusammen mit Dutzenden anderen Schülern aus dem Land Brandenburg. Der Programmtitel: „Break Classics. Stay loose, boy – get cool, girl!“

Dieses Tanztheaterstück soll nicht irgendeine Produktion sein. Vor allem ist es ein Experiment. Musikalisch treffen so unterschiedliche Stile wie Klassik und Hip-Hop aufeinander, ähnlich ist es beim Tanz. Noch unterschiedlicher sind die Akteure auf der Bühne: Gymnasiasten aus Potsdam und Kleinmachnow spielen zusammen mit Förderschülern, Heimkindern sowie Insassen aus dem Jugendknast in Wriezen. Am Wochenende hat es nach zwei Monaten Einzelproben die erste gemeinsame Übung aller Darsteller im Nikolaisaal gegeben.

Für Schüler aus dem Helmholtz-Gymnasium sind solche Erfahrungen manches Mal völlig neu. „So habe ich noch nie getanzt“, sagt der 17-jährige Janick Golcher. Auch Kontakte mit Jugendlichen mit so immens sozialen Problemen sind etwas Ungewöhnliches. „Ich finde es aber gut, dass wir mit denen etwas zusammen machen“, sagt die 16-jährige Rebecca Gürtler.

Die Gegensätze im Vorhaben von „Break Classics“ spiegeln sich auch in der Geschichte des Stückes. Es geht um eine Breakdance-Straßengang, die auf ein klassisches Orchester trifft. Es gibt Streit, schließlich wird der Probenraum der Klassik-Musiker verwüstet. Doch die HipHopper werden von der Polizei gefasst und zu Sozialstunden verpflichtet – im Orchester. Wie die so unterschiedlichen Jugendlichen und Musiker mit dieser neuen Situation umgehen, soll das Stück beschreiben. Insgesamt 160 Schüler sollen dafür auf der Bühne stehen, dazu kommen Musiker der Potsdamer Kammerakademie. „Neben dem künstlerischen Teil geht es auch um den Aufbau von Respekt und Toleranz“, sagt die Potsdamer Tanzlehrerin Marita Erxleben, die sich das Projekt ausgedacht hat.

Doch auch das Gegenteil von Offenheit sollen die Schüler zeigen. In der Aula des Helmholtz-Gymnasiums geht Coach Axel Schiffler, Sportstudent an der Universität Potsdam, mit den Schülern eine wichtige Szene durch. Es geht um eine Figur namens Trixie, die bei verschiedenen Jugendgruppen nach Hilfe sucht – aber niemand will etwas mit ihr zu tun haben. „Stellt das auch so dar“, sagt der Sport-Student zu den Gymnasiasten. Nur mit Gesten sollen die Schüler ihre Ablehnung deutlich machen können. Und viele Anläufe sind nötig, ehe die Ablehnung halbwegs sitzt – gespielte Bosheit gehört wohl nicht zu den einfachsten Übungen.

„Break Classic“ feiert am Sonntag um 18 Uhr Premiere. Weitere Aufführungen sind am 3. Mai um 10 und 18 Uhr sowie am 4. Mai nur um 10 Uhr. Die Karten kosten 12 Euro, ermäßigt 6 Euro.

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