Landeshauptstadt: Spachteln und schlemmen
Maurer-Azubis aus Polen arbeiten zwei Wochen auf dem Winzerberg. Die Praktikanten helfen bei der Restaurierung
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Bisher haben sie nur an neuen Häusern gearbeitet. „Here we must be careful“, sagt Przemyslaw Budzynski, vorsichtig müssen sie hier sein, mit dem alten, historischen Mauerwerk. Der 18-Jährige spricht Englisch und übersetzt für seine Mitschüler, alles polnische Auszubildende aus Swidnica in Niederschlesien. Dort besuchen sie das dritte Lehrjahr an einer Art technischen Fachhochschule, die Ausbildung endet mit einem Handwerksberuf plus Abitur. Jetzt absolvieren 18 Maurer-Azubis ein zweiwöchiges Praktikum in Potsdam.
Täglich werden sie sechs bis sieben Stunden auf den Terrassen am Winzerberg arbeiten, am gestrigen Montag war ihr erster Tag. Auf dem historischen Anwesen, Potsdamer Weltkulturerbe, müssen dringend die Mauern und Pfeiler der oberen Etage restauriert werden, am besten noch vor dem Winter, um Folgeschäden zu vermeiden. „Das ist eine echte Hilfe“, sagt Horst Neß, Mitarbeiter der Firma Roland Schulze Denkmalpflege. Er und weitere Kollegen werden die polnischen Azubis in den kommenden Tagen anleiten. Polnisch spricht er nicht. Entweder wird die Dolmetscherin übersetzen, sagt Neß, oder es muss auf Englisch und mit Gebärden gehen. „Das funktioniert schon, die sind ja alle motiviert“, sagt der Maurer zuversichtlich. Zumindest ist das sein Eindruck nach den ersten Stunden am Montagvormittag.
Sonntagabend war die Gruppe angereist, 350 Kilometer sind es von Swidnica, südwestlich von Breslau, bis Potsdam. Übernachtet wird in einer Gruppenunterkunft auf dem Freiland-Gelände. Das soziokulturelle Zentrum habe die Schüler sehr beeindruckt, sagen die Betreuer, es ist wohl genau das Richtige. „Die wollen ja nach 16 Uhr noch was erleben, das passt schon“, sagt Wojciech Brzostowski, Mitarbeiter des Brandenburger Partnerschaftsbeauftragten für Niederschlesien, Claus Goldenstein.
Das neue Austauschprojekt, organisiert von Goldenstein und dem Bauverein Winzerberg e.V., beginnt mit dem Besuch aus Polen und soll mit einem Gegenbesuch im kommenden Jahr fortgesetzt werden. Die Kosten tragen die Partnerschaftsinitiative „Marschallamt“, das Wirtschaftsministerium finanziert Verpflegung und Unterbringung, Winzerbergverein, Firma Roland Schulze und Holzfachzentrum Potsdam sponsern Personal- und Materialeinsatz.
Hauptanliegen des Austauschprogramms ist die Vermittlung praktischer Berufserfahrung für die polnischen Maurerlehrlinge. „Außerdem wird in Polen zurzeit das Ausbildungssystem reformiert“, sagt Goldenstein, die Polen orientieren sich dabei auch an Deutschland mit seinem dualen Ausbildungssystem, das es in der Form in Polen nicht gibt.
In Deutschland wiederum schätzt man den Austausch, weil gerade die Polen als Spezialisten in Sachen Handwerk und Denkmalpflege bekannt sind. „Fast jedes Kirchenfenster in Brandenburg kommt aus Polen“, sagt Goldenstein.
Die Maurer-Azubis stehen erst am Anfang ihrer praktischen Ausbildung. Trotz Nieselregen sind sie an ihrem ersten Tag voll dabei. Wer schon etwas Erfahrung hat, darf an den Pfeilern arbeiten, die müssen aufgemauert werden. Alle anderen werden an den langen Mauern eingesetzt, müssen spachteln, schlemmen, Putz aufbürsten. „Und schippen kann schließlich jeder“, sagt Horst Neß. Auch Schachtarbeiten müssen sein, die historischen Mauern sollen möglichst vor der nassen und kalten Saison abgedichtet werden. Alles andere werde sich zeigen. „Die Jungs brauchen auf jeden Fall Betreuung“, sagt er, aber dafür ist Neß ja da, und er komme gut zurecht mit den jungen Leuten. Im Urlaub war er des Öfteren in Polen und findet: „So viel anders als wir sind die nun auch nicht.“
Einiges ist dennoch anders. Wenn die jungen Leute ausgelernt haben, verdienen sie in ihrem Heimatland etwa halb so viel wie in Deutschland. 600 Euro sei das Einstiegsgehalt für einen Maurer in Polen. Eine Familie mit Kindern können man davon nicht ernähren, dann müsse die Frau schon mitarbeiten, sagen die jungen Männer. In Deutschland geht ein Facharbeiter mit 1200 bis 1300 Euro als Einstiegsgehalt nach Hause, schätzt Neß. Die polnischen Jugendlichen könnten sich vorstellen, hier zu leben oder zumindest zu arbeiten und würden gern noch mal wiederkommen. „Ist doch sehr schön hier“, sagen sie, „alles so schön renoviert.“
Nach einem kleinen Frühstück geht es wieder hinauf auf den Winzerberg. Sie wissen mittlerweile Bescheid über die alte Bausubstanz und was es mit Potsdams Weltkulturerbe auf sich hat. Auch zu Hause in Swidnica haben sie Historisches direkt vor der Nase. Ihre Schule ist in einem alten Schloss untergebracht, schwärmt Wojciech Brzostowski. Das würde er deutschen Austausch-Azubis wirklich gern einmal zeigen.
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