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Bekannte Geste nach einem Treffer. Tim Kleinschmidt erzielte für Energie Cottbus vier Saisontore in der 3. Liga. In der Nationalmannschaft, in die er im September erstmals berufen wurde, war ihm dies noch nicht vergönnt.

© Ottmar Winter

Sport: Spät entdeckt

Tim Kleindienst aus Jüterbog hat noch nie in einer deutschen Auswahl gespielt. Dann stieg Energie Cottbus im Sommer in die dritte Liga ab, Kleindienst fiel auf – heute steht er vor seinem sechsten Länderspiel

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Am Montag war Tim Kleindienst noch einmal in der Cottbuser Sportschule. Die Prüfung zum Vor-Abitur stand an, in Deutsch. Seit Dienstag sammelt der 19-jährige Fußballer von Energie Cottbus, schulisch gesehen, Fehlstunden. Das hat einen guten Grund: Mit der deutschen U20-Nationalmannschaft war der gebürtige Jüterboger, der zugleich der einzige deutsche Nationalspieler aus Brandenburg im Erwachsenen-Bereich ist, in den vergangenen Tagen auf einem Lehrgang in Bad Saarow und Fürstenwalde. Seine Chancen, am heutigen Freitag um 18 Uhr beim Test-Länderspiel gegen die Schweiz im Babelsberger Karl-Liebknecht-Stadion aufzulaufen, stehen gut.

Auf jeden Fall wird Tim Kleindienst in Potsdam-Babelsberg, eine halbe Stunde von seiner Heimatstadt Jüterbog entfernt, zahlreiche bekannte Gesichter wiedersehen. „Meine Mutter managt daheim die große Kartennachfrage, offenbar wollen es sich meine Freunde, die Nachbarn und die Verwandten nicht entgehen lassen, mich erstmals im Auswahldress des DFB zu sehen“, erzählt der Offensivspieler.

Tim Kleindienst hat einen bemerkenswerten Aufstieg hinter sich, den er auch dem Abstieg seines Vereins Energie Cottbus aus der zweiten in die dritte Liga und der damit einhergehenden Erinnerung an die eigene Jugendabteilung verdankt. „Dieses Jahr ist der Wahnsinn. Erst vergebe ich bei den beiden Aufstiegsspielen im Juni gegen Meppen einige Riesenchancen, die unserer A-Jugendmannschaft den Bundesliga-Aufstieg gekostet haben. Dann gibt’s bei unseren Profis mit Stefan Krämer einen neuen Trainer, der total auf die Jugend setzt, und dann kommt Anfang September der Anruf von Frank Wormuth, der mich ins DFB-Team holt“, sagt Kleindienst. Seitdem hat der 1,94 große Rechtsfuß, der zuvor noch nie für eine Jugend-Nationalmannschaft aufgelaufen war, fünf Länderspiele absolviert, dabei gegen Italien, die Niederlande und England als zentraler Mittelstürmer in der Startelf gestanden.

In der dritten Liga hat er für Cottbus, derzeit Tabellen-Neunter, schon 16-mal gespielt. Mit vier Treffern führt er die Energie-Torschützenliste an, gemeinsam mit Zbynek Pospech – zugleich ein Zeichen dafür ist, dass Kleindienst angekommen ist im Männerbereich. „Sicher ist es ein Verdienst der ganzen Mannschaft, unseren jungen Wilden von Tim Kleindienst bis Robert Berger jede Unterstützung zu geben. Das ist aber nicht schwer, weil sie trotz ihrer stürmischen Jugend ausgesprochen pflegeleicht sind“, sagt Energie-Kapitän Uwe Möhrle. Ähnlich drückt es auch Trainer Stefan Krämer aus. Er habe sich im Sommer ganz bewusst für Kleindienst entschieden, der als 13-Jähriger zu Energie Cottbus kam und an die Sportschule wechselte. Er sei unglaublich laufstark und gut in der Balleroberung, sagt Krämer. „Dazu kommt, dass er sowohl defensiv als auch im Angriff in der Luft kaum einen Zweikampf verliert. Alles Tugenden, die man bei einem vielseitigen Spieler gern sieht.“

Trotz des Lobes achtet der Coach darauf, Kleinschmidt nicht zu „verheizen“, ist er doch einer Dreifachbelastung ausgesetzt. Neben dem Training für die dritte Liga und den Auswahlterminen bestimmt auch die Schule seinen Tagesablauf, erst recht im Abi-Jahr. Zwei Stunden Unterricht, dann zum Training, wieder zur Schule, später dann noch die Hausaufgaben – „Da muss das Timing stimmen und man muss halt immer konzentriert sein. Aber ich habe auch prima Mitschüler, die mich da sehr unterstützen.“

Diese Unterstützung wird er auch dringend brauchen, jetzt, wo sich die Fehlstunden wieder häufen. Nach dem Spiel am Freitag absolviert die DFB-U20 am Dienstag in Szczeczin einen weiteren Test gegen Polen. „Nach der Heimkehr wird aber alles nachgeholt, weil das große Ziel ja auch immer näher rückt“, blickt Tim Kleindienst, der auch in den Herbstferien die Schulbank drückte, um den ausgefallenen Stoff nachzuholen, auf die kommenden Monate. Schließlich will er im Mai 2015 mit dem Abitur in der Tasche die Sportschule zu verlassen – und wenige Tage später im Weltmeisterschafts-Kader der U20 für Neuseeland stehen. Der Zeitplan ist auch hier eng: Am 20. Mai beginnen landesweit die mündlichen Abitur-Prüfungen, am 30. Mai bereits die Weltmeisterschaft mit 24 Mannschaften am anderen Ende der Welt. Dass letztlich nichts kollidieren wird, dafür dürften Sportschule und Bildungsministerium eine Lösung finden.

„Um in Neuseeland auch wirklich zum Kader zu gehören, wäre es schon sehr hilfreich, wenn ich auch in der Auswahl mal zu den Torschützen zählen würde“, sagt Kleindienst. Der Treffer im Nationalteam ist fast das Einzige, was derzeit bei seinem plötzlichen steilen Aufstieg noch fehlt. (mit ihö)

nbsp;Georg Zielonkowski

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