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Von Antje Horn-Conrad: Speisen nach Maß?
Wie Gene die Ernährung beeinflussen: Konferenz zur Nutrigenomik am Institut für Ernährungsforschung
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Fettes Essen ist ungesund, aber es macht nicht unbedingt jeden dick und krank. Mäuse brachten es ans Licht oder besser: auf die Waage. Im Deutschen Institut für Ernährungsforschung Bergholz-Rehbrücke (DIfE) haben Wissenschaftler in der Maus Gene lokalisiert, die abhängig von der Ernährungsweise für Übergewicht und Diabetes verantwortlich sind. Auch beim Menschen scheint das so zu sein. Dass manch einer auf fettreiche Ernährung empfindlicher reagiert und eher zunimmt, kann erblich bedingt, also genetisch programmiert sein. Störungen des Hungergefühls und ein niedriger Energieverbrauch führen dann zu Übergewicht, und nicht, wie landläufig angenommen, falsches Verhalten oder gar Willensschwäche.
Diese Erkenntnis, die die Betroffenen von Vorurteilen und Stigmatisierung befreien könnte, entstammt der noch jungen Nutrigenomforschung. Sie untersucht den Zusammenhang von Erbanlagen und Ernährung. „Wir wissen inzwischen sicher, dass unsere Gene bestimmen, wie die Nährstoffe wirken“, erklärt Professor Hans-Georg Joost, Direktor des DIfE am Rande einer Konferenz. In der vergangenen Woche hatten Fachleute aus 24 Ländern neue Ergebnisse und Entwicklungstendenzen der Nutrigenomik an dem Institut in Rehbrücke diskutiert.
Gelingt es, den genetischen Hintergrund von Erkrankungen aufzuhellen, die sich durch Ernährung beeinflussen oder sogar verhindern lassen, könnte man künftig erblich vorbelasteten Menschen frühzeitiger helfen: Zur Prävention gäbe es dann einen maßgeschneiderten Speiseplan.
Davon jedoch ist die Forschung noch entfernt. Und sie hält respektvollen Abstand. „Die Zahl der Gene, die für Übergewicht und Diabetes verantwortlich sind, ist viel höher, als wir angenommen haben“, benennt Hans-Georg Joost eines der wichtigsten Ergebnisse der am Freitag zu Ende gegangenen Konferenz. Die nächsten Schritte in der Forschung sind sehr schwierig. Groß angelegte Studien mit sehr vielen Probanden werden nötig sein, um Risiko-Gene für bestimmte Erkrankungen zu finden und die Effekte von Nährstoffen auf diese Gene herauszufiltern.
Mit der seit 1992 laufenden EPIC-Studie, an der auch 27 000 Potsdamerinnen und Potsdamer beteiligt sind, wird der Zusammenhang von Ernährung und Krankheiten erforscht. Das Rehbrücker Institut hat hier schon wertvolle Daten sammeln können: zu Essgewohnheiten, körperlicher Aktivität und neu auftretenden Krankheiten. Inzwischen sind in der Kohorte etwa eintausend Menschen an Diabetes erkrankt. Statistisch gesehen haben diese Personen im Vergleich mit anderen häufiger geraucht, weniger Vollkornbrot gegessen und sie litten zu einem größeren Teil an Übergewicht.
In einer nächsten Stufe konnten sich die Potsdamer Forscher nun die Genetik ansehen und fanden dabei zwei Genotypvarianten, die auf unterschiedliche Weise von Vollkornprodukten profitieren. Ein wichtiger Erkenntnisfortschritt in der Nutrigenomik, der aber, so Hans-Georg Joost, für praktische Empfehlungen noch nicht zu nutzen ist. „Wir müssen erst sicher sein, damit tatsächlich einen Vorteil zu bewirken.“
Dass von privaten Unternehmen schon heute Gentests angeboten werden, um ein persönliches Risikoprofil und einen darauf zugeschnittenen Ernährungsplan zu erstellen, hält Joost für verfrüht. Ohnehin sei dies eine ärztliche Aufgabe und nicht für den freien Markt bestimmt. „Mitunter kann die Voraussage, für eine Krankheit genetisch veranlagt zu sein, die betroffene Person in tiefe Depressionen stürzen“, warnt er vor negativen Folgen. Derzeit sei es sinnvoller und auch kostengünstiger, sich generell gesund zu ernähren, egal welches Risiko man in sich trägt.
Auch für die Zukunft glaubt der DIfE-Direktor nicht an personalisierte Speisepläne. In fünf Jahren jedoch könnte die Nutrigenomik soweit sein, Genotypisierungen für ausgewählte Krankheitsrisiken, zum Beispiel für Diabetes, durchzuführen und dann auf die Risikogruppen konkret abgestimmte Ernährungsempfehlungen auszusprechen.
Unabhängig davon aber gilt auch weiterhin: Fettes Essen ist ungesund.
Antje Horn-Conrad
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