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An der Filmhochschule in Babelsberg ging gestern die „Talent Class“ zu Ende. Ein Besuch

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Das ständige sich zur Schau stellen, dazu ein hoher Anspruch an die Kunst: Nicht selten lassen sich junge, ehrgeizige Darsteller davon vereinnahmen. Und vergessen dabei, dass sich in dem Wort Schauspielkunst auch das Spielen versteckt, eine kindliche Freude an der Sache.

Holger Wilhelm kennt das Gefühl: hohe Ansprüche an sich selbst, die erdrücken. Auch bei der „Talent Class“ der Hochschule für Film- und Fernsehen (HFF) haben ihn kleine Misserfolge anfangs runter gezogen, erzählt der Schauspieler, der bei dem gestern zu Ende gegangenen Workshop von Sat.1 und der HFF mitgemacht hat. Wie die anderen 23 Teilnehmer hat er aber eine Menge dazu gelernt in dem zweiwöchigen Kurs. Wenn es auch das ein oder andere von Seiten der Schauspiel-Lerner zu kritisieren gab.

Holger Wilhelm hat verstanden, dass es keinen Sinn macht, seinem Glück hinterher zu rennen: „Nur wenn man einigermaßen entspannt an die Sache herangeht, kann man mit der Schauspielerei glücklich werden“, sagt der 26-Jährige. Bei der „Talent Class“ war er ein Debütant – obwohl er bereits einen Abschluss von einer privaten Schauspielschule in Regensburg in der Tasche hat und heute von kleineren Rollen gut leben kann. Es sei nicht fair, dass alle, die nicht von einer staatlichen Schauspielschule gekommen sind, pauschal als Anfänger gehandelt werden. Das habe auch zu Spannungen zwischen den Workshop-Teilnehmern geführt, da sich so mancher Debütant nicht mit „richtigen Laien“ auf eine Stufe stellen wollte. Die Dozenten der HFF hingegen verteidigen die Einteilung: In den vergangenen Jahren habe sie sich bewährt, sagt Inge Volk, weil Schüler von staatlichen Hochschulen schauspielerisch meist weiter seien als Privatschüler.

Janna Wagenbach, 26 Jahre alt und Studentin der staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart, gehörte zu den Glücklichen, die für einen Platz in der „Talent Class“ kein Casting durchlaufen mussten, sondern direkt von HFF-Dozenten eingeladen wurden. „Vieles von dem, was hier angeboten worden ist, kommt in meinem Studium gar nicht vor“, sagt sie.

Zum Beispiel das Thema Bildgestaltung im Film, das Regisseur Werner Kranwetvogel, der gerade seinen ersten großen Kinofilm vorbereitet, mit den Workshopteilnehmern erarbeitete. Dabei ging er auf die unterschiedlichen Filmformate und Qualitätsstandards von Kino und TV ein sowie auf Einstellungsgrößen und Bildaufbau. „Wenn ich zum Beispiel will, dass das Bild leicht wirkt, setze ich den Horizont niedrig an, damit viel Himmel zu sehen ist“, erklärte Kranwetvogel. So im Detail interessierte das allerdings nicht jeden Teilnehmer, aber die meisten nahmen dann doch ihre Scheuklappen ab, um auch mal links und rechts von der Schauspielerei aufs Filmgeschehen zu schauen. An Vorwissen war tatsächlich nicht viel vorhanden. Auch nicht bei Studenten von staatlichen Hochschulen im achten Semester, die sich noch einmal vergewisserten, was eine Brennweite eigentlich genau sei und die bisher eine Halbtotale (Mensch von Kopf bis Fuß) nicht von einer Halbnahen (Oberkörper und Gesicht) zu unterscheiden wussten.

Auch Janna wusste bisher wenig über „technische Dinge“ beim Film: „Das Studium konzentriert sich auf Fächer, die direkt für den Beruf wichtig sind, wie Körperbeherrschung, Stimmausbildung und Rollenstudium“, erklärt sie. Bei der „Talent Class“ habe sie viel Neues gelernt und sei sich auch ihrer Stärken und Schwächen bewusster geworden. „Mir liegt das intuitive, emotionale Spielen. Zum Text lernen muss ich mich aber immer erst überwinden“, gibt sie zu.

Herausgekommen sind bei den Übungen der Schauspielschüler nicht nur neue Einsichten, sondern auch sechs Kurzfilme, die gestern Abend feierlich in der Berliner Kulturbrauerei präsentiert wurden.

Juliane Schoenherr

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