Landeshauptstadt: Sportschüler unter Missbrauchsverdacht
Staatsanwaltschaft ermittelt / Vorfall offenbar gedeckelt: Mitarbeiterin von Sportlerwohnheim suspendiert
Stand:
Bestürzung an der Potsdamer Sportschule „Friedrich Ludwig Jahn“: Gegen zwei Elftklässler der „Eliteschule des Sports“ ermittelt die Potsdamer Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der sexuellen Nötigung. Sie sollen sich Ende September im Wohnheim des Sportparks Luftschiffhafen an zwei Jungen der achten Klasse vergangen haben. Entsprechende Ermittlungen bestätigte Sigrid Komor, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Potsdam am Dienstag. Es gebe zwei Strafanzeigen von Eltern der mutmaßlichen Opfer sowie von der Luftschiffhafen GmbH, einer Tochter der kommunalen Pro Potsdam, die das Internat seit diesem Sommer betreibt. Nähere Angaben zu den laufenden Ermittlungen machte Komor unter Verweis auf das Alter der minderjährigen Verdächtigen und ihrer mutmaßlichen Opfer nicht.
Einer der beiden Jungen soll laut Medienberichten angegeben haben, am Abend des 27. Septembers seien die Täter in sein Zimmer gekommen, hätten ihn festgehalten und mit einem Besenstiel penetriert. Schüler hätten den Vorfall im Internat einer Erzieherin gemeldet, hieß es weiter – doch zunächst sei zu Beginn der Herbstferien nichts passiert. Erst auf Druck eines anderen Mitarbeiters soll das Geschehen von der Internatsleitung, fast zwei Wochen später, weiter an die Eltern der Kinder gemeldet worden sein – und auch an Andreas Klemund, Chef der Luftschiffhafen GmbH. Der erteilte Hausverbote gegen die mutmaßlichen Täter und stellte eine der Strafanzeigen, wegen denen nun seit vergangenem Freitag ermittelt wird. Die Internatsleitung war zum Vorwurf, sie habe den Vorfall zunächst gedeckelt, trotz Anfrage nicht zu sprechen.
„Friedrich Ludwig Jahn“-Schulleiter Klaus Rüdiger Ziemer zeigte sich entsetzt. Die der Tat verdächtigten Schüler seien zunächst für drei Tage suspendiert. Am Mittwoch solle eine Konferenz mit Lehrern, Schüler- und Elternvertretern der elften Klasse das weitere Vorgehen beraten. So gehe es um die Frage, ob die Schüler für weitere zwei Wochen nicht die Schule besuchen dürfen oder ob ein Antrag auf deren Entlassung gestellt werde. Klar sei, dass es einen Akt der Gewaltanwendung gegeben habe – das Ausmaß sei aber noch unklar. Es stehe „Aussage gegen Aussage“, so der Schulleiter.
Parallel muss sich Ziemer mit einem weiteren, jetzt ebenso öffentlich gewordenen Verdacht auf gewalttätiges Mobbing unter seinen Schülern beschäftigen. Mutmaßliches Opfer soll ein Siebtklässer sein, die vermuteten Täter wiederum Elftklässler. Über Wochen hinweg sollen sie den Jungen verprügelt und erniedrigt haben, etwa durch Einsperren in einen Schrank. Ziemer sagte, die Schule werde über Maßnahmen nachdenken, um solche Vorfälle künftig zu verhindern. Zusammen mit Schülervertretern will er kurzfristig einen Briefkasten einrichten, bei dem sich Schüler mit ähnlichen Erfahrungen auch anonym melden können. Zudem forderte Ziemer mehr Aufsichtspersonal für das Internat – dafür sei die Stadt zuständig.
Inzwischen ist auch das Rathaus in den Fall eingeschaltet. Sie sei „tief bestürzt“, sagte Bildungsdezernentin Iris Jana Magdowski (CDU). Als „unfassbar“ bezeichnete sie es, dass die betroffenen Schüler trotz ihrer Schilderungen keine Hilfe von „Vertrauenspersonen“ erhalten hätten. Zu diesen sollen nach PNN-Informationen auch Trainer der Schüler gehören. Im Internat selber sind neben Angestellten der Luftschiffhafen GmbH auch städtische Mitarbeiter beschäftigt. Eine Mitarbeiterin sei bis zur Klärung der Angelegenheit „nicht mehr im Erzieherdienst“ eingesesetzt, so ein Stadtsprecher. Von der Pro Potsdam hieß es, es sei ein Nottelefon für Schüler und Eltern geplant.
Um Aufklärung will sich auch der Handball-Verein VFL Potsdam bemühen, sagte dessen sportlicher Leiter Rolf Kutzner. So sollen die Verdächtigen in beiden jetzt publik gewordenen Fällen zugleich Nachwuchskräfte des VFL sein. Kutzner sagte, er habe davon erst aus der Zeitung erfahren, der Verein werde sich schnellstens zu den Vorwürfen beraten.
Die „Friedrich Jahn“-Schule ist vom Deutschen Olympischen Sportbund als „Eliteschule des Sports“ ausgezeichnet, 600 Schüler sind angemeldet. Nächstes Jahr feiert die Schule ihren 60. Geburtstag. Auf der Internetseite heißt es: „Eltern in ganz unterschiedlichen Regionen Deutschlands sagen: Den Potsdamern vertrauen wir unser Kind gern an, denn wir wissen, dass es dort gut aufgehoben ist.“
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: