
© Fabian Matzerath/ddp
Von Jörg Schreiber: Sprengkraft unberechenbar
Polnische „Fajerwerki“ vom Marktstand / Zoll stellt deutlich mehr osteuropäische Böller als 2008 sicher
Stand:
Slubice/Frankfurt (Oder) - Das auch Deutschen verständliche Wort „Fajerwerki“ steht in grellen Lettern an dem kleinen Marktstand im Zentrum der polnischen Grenzstadt Slubice. Nur wenige Hundert Meter von der Grenzbrücke nach Frankfurt (Oder) entfernt, werden hier Feuerwerkskörper aller Art angeboten. Neben Packungen mit kleinen Zündknallern für zwei Euro gibt es auch 150-Schuss-Batterien ab elf Euro zu kaufen.
„Kunden sind vor allem Deutsche“, sagt der Verkäufer. So tragen viele Böllerpackungen auch gleich deutsche Namen: Ein Fünferpack mit rund 20 Zentimeter langen Knallern etwa firmiert unter dem Warennamen „Achtung!“, andere Böller heißen „Vogelschreck“ oder „Explosive“.
„Die Produkte stammen aus Polen“, sagt der Händler. Manche tragen allerdings auch den Aufdruck „Made in China“. Der Verkauf in Polen sei das ganze Jahr über erlaubt, versichert er.
Ein Zulassungszeichen der deutschen Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) haben die Knaller und Böller allesamt nicht. Lediglich polnische Gebrauchs- und Sicherheitshinweise sind aufgedruckt. Feuerwerkskörper ohne BAM-Zulassungszeichen sind in Deutschland aber nicht erlaubt. Die Einfuhr sei verboten und strafbar, sagt Bernd Rößler von der Bundesfinanzdirektion Mitte in Potsdam. Die Silvesterknaller würden beschlagnahmt, zudem werde ein Strafverfahren eingeleitet.
Zoll und Polizei warnen jedes Jahr eindringlich vor polnischen Böllern, weil es unberechenbare Verletzungsrisiken gebe. Insbesondere die auf Märkten angebotenen Knaller entsprechen nach Angaben des Zolls meist nicht den deutschen Sicherheitsstandards. So gebe es in Polen etwa keine Vorgabe zur Länge der Zündschnur. In einigen Fällen seien die Feuerwerkskörper auch in kleinen Labors hergestellt, da könne niemand sagen, was da für ein Gemisch drin ist.
Welche Explosivkraft die Knaller haben, zeigte sich kürzlich in Frankfurt. Rowdys hatten in mehreren Buswartehäuschen polnische Böller mit Klebeband befestigt und gezündet. Durch die Explosion wurden die Scheiben der Buswartehäuschen nach Polizeiangaben total zerstört. Der Gesamtschaden wird auf etwa 1100 Euro geschätzt.
Indes füllen sich wieder die Asservatenkammern des Zolls mit beschlagnahmten Polen-Böllern. Im vergangenen Jahr hatten Zöllner im Brandenburger Grenzraum zu Polen etwa 3000 Feuerwerkskörper sichergestellt. „Diese Zahlen werden wir in diesem Jahr deutlich überschreiten“, sagt der Sprecher des Hauptzollamts Frankfurt (Oder), Andreas Behnisch. So sei kürzlich in der Südbrandenburger Grenzregion ein kompletter Kleintransporter voll mit Feuerwerkskörpern gestoppt worden.
Da die Grenzen offen sind, kontrolliert der Zoll allerdings nur noch stichprobenartig. Daher kann niemand sagen, wie hoch die Dunkelziffer ist. „Es sollte sich aber keiner sicher fühlen, zumal neben der Zollverwaltung auch Bundes- und Landespolizei in diesen Tagen sehr intensiv nach solchen Dingen schauen“, sagt Behnisch. So war vor wenigen Tagen ein 16-Jähriger von der Polizei in Frankfurt mit 55 polnischen Knallern erwischt worden.
Die vom Zoll sichergestellten Böller werden in große, über einen Meter lange und etwa 60 Zentimeter breite Metallkisten der BAM gepackt, die außen ein Sprengstoff-Warnschild tragen. Sie werden dann von einer Spezialfirma aus Lübben abgeholt und vernichtet. Ein Mann aus der Grenzstadt Guben hatte offenbar weniger Skrupel bei der Lagerung. Im März dieses Jahres beschlagnahmte die Polizei in seiner Wohnung 2000 polnische Feuerwerkskörper, die er im Internet anbot.
Der zeitige Verkauf von Silvesterböllern in Polen führt dazu, dass in der deutschen Grenzregion nicht erst wie hierzulande erlaubt am Silvester- und Neujahrstag, sondern schon jetzt immer öfter Knaller gezündet werden. In Frankfurt häufen sich Beschwerden, wie es aus der Stadtverwaltung heißt. Frankfurts Ordnungsbeigeordneter Markus Derling (CDU) zeigt sich wütend über die Schäden insbesondere an den Bushaltestellen. „Das ist definitiv kein Dummer-Jungen-Streich mehr. Das ist kriminell und wird mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln verfolgt.“
Jörg Schreiber
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: