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Landeshauptstadt: Spur der Filme

Im Buch „Filmstadt Potsdam“ werden Drehorte von rund 100 Filmen vorgestellt. Eine Stadterkundung per Film

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Eigentlich spielt der Film in Dresden. Eine Zigarettenfabrik liegt nach dem Krieg in Trümmern, ausgerechnet der Nichtraucher Kalle – Erwin Geschonneck – wird von seinen Kollegen auf eine Odyssee durch halb Deutschland geschickt, um das für die Schweißarbeiten beim Wiederaufbau benötigte Karbid zu beschaffen. Frank Beyers Komödie „Karbid und Sauerampfer“ aus dem Jahr 1963 ist mit seiner überzeugenden und doch humorvollen Schilderung des Nachkriegsalltags zum Defa-Klassiker geworden. Dass dabei statt Dresden oft Potsdam als Filmkulisse herhielt, fällt erst auf den zweiten Blick auf: Bei der Fabrikruine handelt es sich um die Ruine des Königlichen Schauspielhauses Potsdam, besser bekannt als Kanaloper, die bis zur Neubebauung wenig später noch in der Straße Am Kanal stand. Das Palais Lichtenau am Neuen Garten wiederum wurde für den Film zur russischen Komandantur umfunktioniert – Defa-Szenograf Alfred Hirschmeier ließ einen roten Stern an die Fassade anbringen.

Solche Entdeckungen gibt es mit dem neuen Film-Stadtführer „Filmstadt Potsdam“ zu machen. Die Autoren Alexander Vogel und Marcel Piethe erzählen in dem Buch, das das Potsdamer Filmmuseum jetzt im Hendrik-Bäßler-Verlag herausgegeben hat, Geschichten und Anekdoten aus 113 Filmen, die in den Straßen, Schlössern, Parks, am Wasser und in den ländlichen Ortsteilen Potsdams in den vergangenen 100 Jahren entstanden sind – neuester Film ist das in diesem Jahr entstandene Nazi-Beutekunst-Drama „Monuments Men“ von und mit Hollywoodstar George Clooney.

Gedacht ist das Buch nicht nur für Cineasten, erklärt Alexander Vogel: „Filmbilder erzählen immer auch ein Stück Geschichte dieser Stadt.“ Auf der Leinwand ist einerseits ein Potsdam verewigt, wie es heute an vielen Stellen nicht mehr aussieht – andererseits aber auch eines, wie es vielleicht bald schon nicht mehr aussehen wird. Vogel verweist auf die Literaturverfilmung „Die Welle“ aus dem Jahr 2008, in der die Nikolaikirche und die benachbarte Fachhochschule einen prominenten Auftritt haben – das Fachhochschulgebäude soll perspektivisch für die Neugestaltung der Mitte weichen. Wer die Drehorte in der eigenen Stadt kenne, dem kommen andererseits auch die Filme näher: „Mit dem Buch laden wir auch zum wiederholten Sehen von Filmen ein.“

Mit rund 160 Bildern auf 224 Seiten ist das Buch reich bebildert – mit Fotos von Dreharbeiten und aus den Filmen, aber auch von Drehorten. Aber nicht nur Kulissen, sondern auch Protagonisten und wichtige Orte der Filmgeschichte in Potsdam werden aufgegriffen – auch hier gibt es Überraschungen: So ist beispielsweise zu erfahren, dass die Berliner Scherenschnittkünstlerin und Animationsfilm-Pionierin Lotte Reininger ihren ersten abendfüllenden Scherenschnittfilm „Die Abenteuer des Prinzen Achmed“ 1926 in einer Garage neben der Villa Hagen in der Bertinistraße 24 schuf. Das Werk, das die Potsdamer Bankiersfamilie Hagen großzügig unterstützte, gilt als erster Animationslangfilm der Filmgeschichte.

Beim Zurechtfinden im Buch und vor Ort hilft eine Stadtkarte und die zweckmäßige Einteilung in sechs Kapitel, die sich beispielsweise dem „Alten Potsdam“ in der Innenstadt, den Potsdamer Vorstädten, Babelsberg oder den ländlichen Ortsteilen widmen und zum Spaziergang und Nachlesen einladen. Über ein Register mit Filmtiteln, Straßennamen und Personen wird die gezielte Suche erleichtert.

Parallel zum Buch entwickelten die beiden Autoren gemeinsam mit dem Tourismusanbieter „Videobustour“ auch eine Film-Stadtrundfahrt, die künftig an jedem ersten Sonntag im Monat angeboten werden soll. Dabei werden in einer gut zweistündigen Tour Stadt- und Filmgeschichte vermittelt: Zu den angefahrenen Drehorten werden auf Monitoren im Bus die passenden Filmausschnitte gezeigt.

Eine Wiederentdeckung versprechen die Initiatoren vom Filmmuseum Potsdam auch für die öffentliche Buchpräsentation am kommenden Mittwoch im Thalia-Kino in Babelsberg ab 19 Uhr: Im Anschluss an die Vorstellung des Buches wird der Film „Junge Herzen“ aus dem Jahr 1944 gezeigt. Das Bemerkenswerte an der Romantik-Komödie über das Liebesleben eines jungen Pianisten: Gedreht wurde in der Innenstadt, zu sehen ist „ein unzerstörtes Potsdam in bewegenden Bildern“, wie Sachiko Schmidt vom Filmmuseum sagt. Der Eintritt kostet 8,50 Euro, ermäßigt 6,50 Euro.

A. Vogel, M. Piethe: „Filmstadt Potsdam. Drehorte und Geschichten“, herausgegeben vom Filmmuseum Potsdam. Hendrik Bäßler Verlag, 2013. 224 Seiten kosten 19,95 Euro. Präsentation mit Film am 23. Oktober 19 Uhr im Thalia-Kino.

Videobustour Potsdam am 3. November und 1. Dezember, Start 13.30 Uhr am Alten Rathaus. Teilnahme 19,50 Euro. Anmeldung unter Tel.: 030 44024450 oder über www.videobustour.de.

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