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Spitzel-Affäre in Potsdam: Stadtwerke-Chef weiter in Bedrängnis

Ist ein Millionen-Deal Hintergrund für die Bespitzelung des Gewoba-Chefs, die im Auftrag von Stadtwerkechef Paffhausen geschehen sein soll? Fest steht: Die Kritik am Umgang von Oberbürgermeister Jakobs mit dem Fall wächst. SPD-Chef Schubert will heute Einsicht in den Prüfbericht nehmen.

Stand:

Die Spitzel-Affäre um die Stadtwerke hat die Potsdamer Politik in Aufruhr versetzt. Alle Parteien im Stadtparlament bis auf die Linke fordern Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) auf, sofort für Aufklärung zu sorgen. „Die Fakten gehören an die Öffentlichkeit“, sagte CDU-Kreischefin Katherina Reiche. Die FDP-Fraktion will die sofortige Beurlaubung des Stadtwerke-Geschäftsführers Peter Paffhausen, die SPD-Fraktion sieht diese als notwendig an, sollten sich die Vorwürfe gegen ihn annähernd bewahrheiten.

Derweil bleiben die Vorgänge undurchsichtig. Fest steht, dass im Jahr 2001 die Berliner Sicherheitsfirma UP Sicherheitsmanagement des ehemaligen hauptamtlichen Stasi-Mitarbeiters Uwe Petzold ein Dossier über den Chef der damaligen Gewoba und heutigen Pro Potsdam GmbH Horst Müller-Zinsius angefertigt hat. Dieses hatte Müller-Zinsius im November 2010 im Briefkasten, dazu ein anonymes Schreiben samt Hinweis auf Stadtwerke-Chef Peter Paffhausen als Auftraggeber. Ob Paffhausen als Chef eines Stadt-Konzerns – hier namentlich der Stadtwerke-Tochter Energie und Wasser Potsdam GmbH (EWP) – den Auftrag erteilt hat, Müller-Zinsius als Chef eines anderen städtischen Unternehmens zu bespitzeln, ist unklar. Offen ist auch die Frage, ob das Dossier das einzige seiner Art ist. Aufklärung bringen soll der von Jakobs bereits im Januar in Auftrag gegebene Bericht des Potsdamer Rechtsanwalts Joachim Erbe, der im Pro-Potsdam-Aufsichtsrat sitzt. Rund um den Bericht, dessen Einsicht SPD-Fraktionschef Schubert als EWP-Aufsichtsratsmitglied erzwingen will, ranken sich Gerüchte. Angeblich soll er belegen, dass Paffhausen die Berliner Privat- und Wirtschaftsdetektei von Petzold bis ins Jahr 2010 beschäftigt habe. Paffhausen äußerte sich auch am Sonntag nicht zu den Vorwürfen.

Sollte der Erbe-Bericht Paffhausen derart belasten wie kolportiert wird, erscheint verwunderlich, dass Oberbürgermeister Jakobs eher zögerlich agiert. Seit April – das heißt mindestens zwei Wochen – liegt ihm der Prüfbericht vor. Hätte er bei Brisanz da nicht längst handeln müssen? Doch Jakobs ließ das Spitzel-Thema bis zur offiziellen Aufsichtsratssitzung der EWP liegen, wo es am vergangenen Freitag erneut vertagt wurde, weil der Verfasser des Berichts erkrankt gewesen sei. Und Rechtsanwalt Erbe, so Jakobs Position, müsse den Bericht persönlich präsentieren. Neben SPD und CDU sehen da auch FDP und Bündnisgrüne Informationsdefizite. Liberalen-Chef Marcel Yon ist Mitglied des Stadtwerke-Aufsichtsrats. Dieses Gremium hätte angesichts der Vorwürfe gegen Stadtwerke-Chef Paffhausen in Kenntnis gesetzt werden müssen, sagte er. Die Bündnisgrünen wollen, dass Jakobs „aus seiner Sprachlosigkeit erwacht“, so Kreischef Uwe Fröhlich.

Im bisher maßgeblichen EWP-Aufsichtsrat sitzen neben Schubert Hans-Jürgen Scharfenberg und Rolf Kutzmutz von der Linken sowie Hannelore Knoblich (SPD) und Peter Lehmann (CDU). Sie verhalten sich bisher zurückhaltend. Scharfenberg, Linke-Fraktionschef im Stadtparlament, sagte gestern, er sehe keinen Bedarf für sofortige Konsequenzen: „Kein Zweifel, es muss alles auf den Tisch – doch ich finde es überhaupt nicht gut, wie hier Skandale gemacht werden.“ Die Vorwürfe müssten sorgfältig und sachlich geprüft werden, dazu habe er eine Sondersitzung des EWP-Aufsichtsrats vorgeschlagen. Diese soll nach PNN-Informationen Ende der Woche stattfinden. Sonst Jakobs’ größter Widersacher, geht der Linke in diesem Fall mit dem Oberbürgermeister verständnisvoll um. Dieser habe als Aufsichtsratschef der EWP den Prüfbericht beauftragt.

Absolut undurchsichtig erscheint, warum die Vorwürfe gegen Paffhausen ausgerechnet jetzt an die Öffentlichkeit kommen. In einigen Potsdamer Kreisen wird spekuliert, die Spitzel-Affäre geschehe vor dem Hintergrund eines Wirtschaftskrimis: So soll Ende dieser Woche im Aufsichtsrat des Potsdamer Verkehrsbetriebs ViP GmbH – eine Tochter der Stadtwerke – eine millionenschwere Entscheidung fallen. Nachdem Potsdam unter dem vor anderthalb Monaten überraschend und angeblich auf Hinwirken Paffhausens geschassten ViP-Chef Martin Weis zehn Vario-Straßenbahnen der Firma Stadler bestellt hat, soll nun der Aufsichtsrat unter Vorsitz von Bürgermeister Burkhard Exner (SPD) grünes Licht für einen weiteren Auftrag über acht Bahnen für insgesamt 20 Millionen Euro geben. Paffhausen, so heißt es, wolle dem Millionen-Geschäft wegen angeblichen Zweifeln an der Tauglichkeit der Stadler-Bahnen aber nicht zustimmen. (mit HK)

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