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Landeshauptstadt: Stahlrösser vor dem Schlosstor

Zum Fahrradkonzert waren wieder über 1000 Teilnehmer angetreten und genossen die aparten Angebote

Stand:

Sie waren nicht zu übersehen, die Teilnehmer am sonntäglichen Fahrradkonzert innerhalb der Musikfestspiele, die diesmal unter dem Titel „Rührt euch!“ stehen. Und das taten die Radler ganz gewiss. Ihre gelben Halsbänder leuchteten in den Straßen der Innenstadt, waren in Eiche zu entdecken, im Park Sanssouci und sogar in Babelsberg, wo es ebenfalls musikalische Stationen gab. Die Kavalkaden von Fahrrädern starteten nach Lust und Laune in großer oder kleiner Tour am Brandenburger Tor, die Chefin der Musikfestspiele Andrea Palent sprach von rund 1000 Teilnehmern, nachdem ihnen Geert Chatrou eins – oder zwei und drei – gepfiffen hatte.

Der Holländer ist dreifacher Weltmeister im Kunstpfeifen und er macht auch vor Mozarts „Kleiner Nachtmusik“ nicht halt. Sein Programm sei klassisch ausgerichtet, sagt er, aber auch Jazz-Standards gehörten dazu. Er habe eigentlich zusammen mit den Potsdamern ein Liedchen pfeifen wollen, doch die hätten ihn im Stich gelassen. Wer auf seiner Rundreise nicht genug Kultur getankt hatte, traf sich schließlich am Nachmittag wieder am Luisenplatz, wo man sich bei der After-Rad-Party mit dem Druckluftorchester und den Kitchen-Grooves vergnügen konnte, ein Tänzchen eingeschlossen.

Die Fahrradkonzertliebhaber waren in Potsdam aufs eigene Rad gestiegen, hatten sich nach der S-Bahn-Anfahrt aus Berlin eines ausgeliehen und scheuten auch die Mühe weiterer Wege nicht. Offenbar ist eine Einladung zum Fahrradkonzert ein beliebtes Geburtstagsgeschenk. Man traf gleich mehrere so beschenkte Geburtstagskinder und die Berlinerin Anita Blachnitz hatte sogar eine zehnköpfige Gesellschaft mitgebracht. Manche outeten sich auch als „Zaungäste“, die gerade aus einem der vielen Reisebusse gestiegen waren und nun an der Historischen Mühle die klingenden Fahrradinstallationen bewunderten.

Die „Cyclophones“ hatten die Belgier Francois Cys und Nicolas Dujardin aufgebaut und nachdem sie die Anwendung der Stethoskope erklärt und auch mal probegeradelt waren, machte es einen Heidenspaß, den per pedales erzeugten Tönen zu lauschen. In der Dortuschule gab es im Rokoko-Saal ebenfalls ein Konzert der etwas anderen Art. Der Mexikaner Luis Marquez, Komponist und Leiter der musikalischen Bewegung Mezcal, führte Natur-Instrumente vor. Nach seiner Meinung eignet sich so ziemlich alles zum Musikmachen und die große Lehrmeisterin dabei sei die Natur selbst. Ob es die rasselnden Schoten des Johannisbrotbaumes, präparierte Muschelgehäuse oder einfache Steine waren, alles hatte Klang und bekam noch durch Marquez einen beschwingten Rhythmus dazu. Da das Wetter hielt, was es mit morgendlichem Sonnenschein versprochen hatte, konnte er sogar ungestraft mit einem Bambusholz Regen rauschen lassen. Dass er zwei Blockflöten auf einmal blies, war allerdings nichts Besonderes. Das konnte „Wildes Holz“ auch. Genauer gesagt Tobias Reisige, der „Freiheit für die Blockflöte“ fordert. Von Anto Karaula (Gitarre) und Markus Conrads (Kontrabass) wird er genauso wild und verrückt bei den Rock- und Jazztiteln begleitet, wie es sich für „Wildes Holz“ gehört. „Die drei könnten auch ,Hänschen klein’ spielen und das Publikum würde sie feiern“ , heißt es in einer Rezension. Das taten die Drei in der Französischen Kirche allerdings nicht. Bei der Zugabe spielten sie den Song von Pippi Langstrumpf und das Publikum klatschte hingerissen.

Hans-Jochen Röhrig, viele Jahre lang Schauspieler am Hans Otto Theater, hatte es da schon etwas schwerer, seine Zuhörer zu fesseln. Er las am Grab Friedrichs II. Gedichte von Gleim und Friedrich selbst und musste seine Stimme gegen die der Fremdenführer anheben. „Das schaffe ich schon“, sagte er lachend während einer Pause. Bei der ersten halben Lesestunde seien es zwar noch wenige Zuhörer gewesen, doch danach immer mehr geworden. Röhrigs Erfahrungen bei vielen Matineen halfen ihm dabei, sich durchzusetzen gegen Tourismus und Friedrichs Kartoffeln, die auf seinem Grab lagen und immer wieder Ausrufe provozierten.

Sehr locker, aber sanft und leise, ging es in der Bildergalerie zu. Dort hatten sich die Musikfreunde auf dem edlen Mosaikboden sitzend um die Gambenspieler gruppiert und lauschten den zarten Klängen aus alten Zeiten. Dazu lächelten halbnackte Damen von der Bilderwand oder flohen vor irgendwelchen Peinigern. Pummelige Kinder hingen den Müttern an den Rockschößen, aber sie fügten sich ebenso in die Klangwelt ein wie die Radlerkinder, die sehr diszipliniert und andächtig lauschten. Nur die Fahrräder hatten mit Straßenlärm und Gehupe vorlieb zu nehmen. Sie mussten draußen am Gartentor warten, denn außer dem Ökonomieweg war Sanssouci für sie tabu.

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