Homepage: Starkbeben unter Tokio befürchtet
Geoforscher gehen davon aus, dass das Erdbebenrisiko für Japans Hauptstadt stark angestiegen ist
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Schreckliche Erinnerungen an das verheerende Seebeben vom März 2011 weckte ein Erdbeben der Stärke 7,0, das am Nachmittag des Neujahrstages den Osten Japans erschütterte. Das Zentrum des Bebens lag 600 Kilometer südlich von Tokio im Pazifik. Das reichte aus, um in der Hauptstadt Tokio die Häuser schwanken zu lassen. Zum Glück blieb es bei einem kurzen Schrecken: Verletzte oder Schäden wurden nicht beklagt, eine Tsunamiwarnung wurde nicht gegeben.
So glimpflich könnte Japans Hauptstadt in Zukunft allerdings nicht davon kommen. Seismologen warnen davor, dass die Region von einem schweren Erdbeben der Stärke 8 und mehr betroffen werden könnte. Dieses Risiko hat sich durch das Extrembeben von 2011 sogar stark erhöht. Wie Professor Frederik Tilmann vom Deutschen GeoForschungsZentrum Potsdam (GFZ) erklärt, habe das sogenannte Honshu-Beben vom Vorjahr die tektonische Situation in der Region nachhaltig verändert: „Die Plattengrenzfläche nordöstlich von Tokio ist dadurch gebrochen.“
Gleich zwei Verwerfungen würden die Hauptstadt Tokio direkt bedrohen. Unter Tokio treffen drei Kontinentalplatten zusammen, die Pazifische, die Eurasische und die Philippinische Platte. Problematisch sei die die Plattengrenze zwischen Eurasien und Pazifik südlich des Honshu-Erdbebenherdes. Gefährlicher noch sind allerdings die in Ost-Westverlaufenden Störungen zwischen der Philippinischen und Eurasischen Platte direkt unter Tokio. Hier hatte auch 1923 das verheerende Kanto-Beben seinen Ausgang. „Diese beiden Verwerfungen wurden durch das Beben von 2011 nun noch mehr unter Spannung gesetzt, als sie es ohnehin schon waren“, erklärt Frederik Tilmann. Der Geoforscher Shinji Toda von der Kyoto-University geht davon aus, dass die Wahrscheinlichkeit für ein Starkbeben innerhalb der nächsten 30 Jahre in unmittelbarer Nähe der Neun-Millionen-Metropole von bisher 35 Prozent auf mindestens 50 Prozent durch das Honshu-Beben angewachsen ist. Tilmann hält die Gefahr zwar nicht für so genau quantifizierbar. „Aber das Risiko für ein Starkbeben hat sich objektiv erhöht“.
Das Beben vom 11. März 2011 hatte mit der Stärke 9,0 im Nordosten Japans einen Tsunami ausgelöst, der mehr als 15 000 Menschen in den Tod riss und das Atomkraftwerk Fukushima bis zur Kernschmelze havarieren ließ. Das Epizentrum lag vor der Küste der Präfektur Miyagi etwa 370 Kilometer nordöstlich von Tokio. Überraschend war für den Potsdamer Seismologen, dass nach dem Honshu-Erdbeben vom März 2011 die Bebenhäufigkeit in Entfernungen zugenommen habe, in denen das die Experten nicht erwartet hatten - so etwa auch auf der Westseite Japans.
Das neue Beben vom Neujahrstag sieht der Geophysiker Tilmann allerdings nicht im Zusammenhang mit dem Extrembeben von 2011. Dagegen spreche die sehr große Entfernung und große Tiefe des Erdbebenherds. Es habe sich nicht um eins der vielen bisher registrierten Honshu-Nachbeben gehandelt. Das Beben in 360 Kilometer Tiefe wurde innerhalb der abgetauchten Pazifischen Erdplatte ausgelöst worden, die sich ein paar hundert km weiter östlich unter die Phillipnische Platte schiebt. Dort würden häufiger Beben auftreten. Durch die Tiefe des Bebens habe es keine Tsunamigefahr gegeben.
Japan ist in eine der seismisch aktivsten Gegenden der Welt. Das Land sei zwar so gut auf die Erdbebengefahr vorbereitet wie kein anderes Land , so der Geophysiker Frederik Tilmann. Doch bei dem Beben vom Vorjahr sei die Tsunamigefahr stark unterschätzt worden. „Trotz guter Vorbereitung kann ein großes Beben in der Region Tokio verheerende Folgen haben, zumindest für die Wirtschaftskraft“, so der Forscher, der selbst während des Honshu-Bebens zufällig in Tokio war.
Menschenleben seien durch erdbebensichere Gebäude zwar besser geschützt als in Entwicklungsländern. „Aber eine starke Bedrohung bleibt dennoch“, schätzt Frederik Tilmann. Bei starken Erdstößen würden auch erdbebensichere Gebäude Schäden erleiden, die aufwendige Reparaturen oder den Neubau nach sich ziehen würden. Bei einem Starkbeben direkt unterhalb Tokios sei zu erwarten, dass auch einige große Gebäude einstürzen. Die Tsunamigefahr sei bei Beben direkt vor Tokio durch das flache Wasser zwar geringer. „Dafür sind aber die Erschütterungen dann unweit größer“, so Frederik Tilmann. Und von der Verwerfung in der Verlängerung des Honshu-Bebens gehe sehr wohl die Gefahr einer Flutwelle aus.
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