Landeshauptstadt: Stauffenbergs jüngste Tochter
Konstanze von Schulthess-Rechberg besucht St. Josefs-Krankenhaus, wo 1945 um ihr Leben gerungen wurde
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Am 13. September wird Konstanze von Schulthess-Rechberg im St. Josefs Krankenhaus aus der Biographie lesen, die sie in diesem Jahr über ihre Mutter Nina Schenk Gräfin von Stauffenberg veröffentlicht hat.
Darüber informierte der Ärztliche Direktor des Krankenhauses und Chefarzt für Inneres, Prof. Dr. Eckart Frantz, die PNN. Damit betritt die jüngste Stauffenberg-Tochter, die heute in Zürich lebt, nach mehr als sechs Jahrzehnten erstmals wieder jene Stätte, an der am Kriegsende 1945 Ärzte und Schwestern um ihr Leben rangen.
Am 5. Februar 1945 wurde dort eine „Frau Schank“ mit ihrem am 27. Januar geborenen Töchterchen eingeliefert. Sie kam mit einem Gefangenentransport aus Frankfurt (Oder), der ursprünglich nach Berlin verlegt werden sollte, wegen der anhaltenden Luftangriffe auf die Hauptstadt aber nach Potsdam umgeleitet wurde. Die stets durch Gestapobeamte beobachtete Patientin, durch eine Unterleibsentzündung und die 24-stündige Fahrt im Lazarettzug stark geschwächt, wurde mit ihrem Säugling zunächst auf die Entbindungsstation gelegt, nach Besserung ihres Zustandes dann in die Chirurgische Station V. In der aus der Schweiz stammenden Nachtschwester M. von Modlich fand die neu eingelieferte junge Mutter bald eine Freundin. Nächtelang führten sie im Schwesternzimmer Gespräche, strickten und buken manchmal auch Schweizer „Fasnachtsküchli“.
Wer die geheimnisvolle Patientin wirklich war, erfuhr Chefarzt Dr. Schrank schon bald durch Bekannte: die Witwe des bereits hingerichteten Hitler-Attentäters Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Er sagte ihr jegliche Unterstützung zu. Es sei seine Entscheidung, wann er Mutter und Kind als gesund und damit transportfähig entlasse. So konnte Nina von Stauffenberg die Fürsorge des katholischen Krankenhauses bis April genießen. Inzwischen war allerdings die kleine Konstanze schwer erkrankt. Abszessen, die geschnitten werden mussten, folgten Wundrose, Bronchitis und eine lebensbedrohliche Lungenentzündung. Im heimatlichen Württemberg habe man solche Babys damals drastisch „Verreckerle“ genannt, schreibt Frau von Schulthess-Rechberg in ihrem Buch. Ärztliche Kunst und aufopferungsvolle Pflege retteten jedoch ihr Leben.
Die Ehrwürdige Schwester (so die Anrede) M. Emetria war damals leitende Operations-Schwester und Stationsschwester der Station V. 1984 verfasste sie einen Erinnerungsbericht, der drei Jahre später in der Jubiläumsbroschüre zum 125-jährigen Bestehen des Krankenhauses gekürzt veröffentlicht wurde. Danach wies die Gestapo an, „dass Frau Schank ohne ihre Zustimmung keine Post empfangen oder absenden dürfe, das Krankenhausgelände nicht zu verlassen habe und alles, was Mutter und Kind benötigten, ginge durch ihre Hand Die Männer kamen unregelmäßig wieder und kontrollierten ihre Anweisungen.“
Wie Schwester Emetria schrieb, blieb für das Personal „rätselhaft, warum diese Dame, die so ganz anders war, unter Polizeiaufsicht stand, aber sie sagte nichts, was sie hätte verraten können“. Erst als die Gestapo sie und das Kind abholen wollte, gab Nina von Stauffenberg ihren wahren Namen preis. Die Schwestern taten alles, um die Entlassung zu verzögern. Wegen des schlechten Gesundheitszustandes ließen sie die kleine Konstanze in der Krankenhaus-Kapelle heimlich nottaufen. Davon wusste die Mutter nichts, auf deren Wunsch nach den Erinnerungen von Schwester Emetria am 12. April 1945 durch den Hausgeistlichen Pater Friedrichs erneut eine Taufe auf den Namen Konstanze Schank stattfand, wobei Chefarzt Dr. Schrank Pate stand. Als die Handlung noch im Gange war, habe die Gestapo angerufen: „Jetzt reicht es uns aber. Um 15 Uhr werden beide abgeholt.“
Schweren Herzens verabschiedete sich Emetria von Mutter und Tochter und schickte ihre beste Schwester mit zum Stadtbahnhof. Monatelang wartete sie auf eine Nachricht. Dann schrieb Nina von Stauffenberg aus Württemberg, dass „sie und alle fünf Kinder gerettet“ worden seien.
Die Pflege von Mitgliedern der Familie von Stauffenberg im Jahr 1945 sei ein bedeutendes Kapitel in der Geschichte des St. Josefs-Krankenhauses, erklärte Prof. Frantz gegenüber PNN. Sie werde auch in der Chronik ihren Platz finden, die für das 150-jährige Bestehen der Einrichtung im Jahr 2012 vorbereitet wird. Zudem habe er eine Vortragsreihe zur Geschichte des Krankenhauses initiiert. Er freue sich sehr über den Besuch von Konstanze von Schulthess-Rechberg, die während ihres Potsdam-Aufenthalts auch die Dauerausstellung des Potsdam-Museums zu den Widerständlern des 20. Juli 1944 besuchen werde.
Erhart Hohenstein
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