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Die Hitzewelle belastet Menschen, Tiere und die Pflanzenwelt / Forscher sehen Klimawandel als Ursache
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Heiße Sommer gab es schon immer. Was die derzeitige Hitzewelle für die Klimaforscher interessant macht, ist jedoch die Kontinuität der heißen Tage. Und darin ähnelt der Sommer 2006 schon jetzt dem so genannten „Jahrhundertsommer“ 2003. Die Meteorologen schauen auf die Anzahl der Sommertage (mindestens 25 Grad) und heißen Tage (Mindestens 30 grad), um zu belastbaren Aussagen zu kommen. Zwar hatten 2003 gerade Anfang August die Temperaturen vielerorts sogar tagelang an der 40-Grad-Marke gekratzt, doch was die Anzahl der heißen und Sommertage betrifft, so sieht Prof. Friedrich-Wilhelm Gerstengarbe vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) bislang zwischen den beiden Jahren etwa Gleichstand.
Meteorologen schätzen mittlerweile sogar, dass in der Gesamtbilanz der Juli 2006 wärmer ausfallen könnte als der Juli 2003. Dass der Juli 2006 zudem gebietsweise als der „wärmste Juli seit Beginn der Wetteraufzeichnungen“ in die Statistik eingeht, ist nicht unwahrscheinlich. Von einem Rekordsommer wie etwa 1947 – 71 Sommertage – sind wir mit bislang 38 Sommertagen zwar noch etwas entfernt. Was den Klimaforschern aber auffällt, ist eine Häufung von Sommertagen in den heißen Monaten der vergangen 30 Jahre. Zur Beurteilung der Lage können die PIK-Forscher die Daten der Säkularstation Potsdam mit einer der längsten kontinuierlichen meteorologischen Messreihen der Welt heranziehen. Ihr Ergebnis: „Die ununterbrochene Abfolge von Sommertagen hat sich nahezu verdreifacht!“. So habe es 1947 elf Sommertage am Stück gegeben, 2003 waren es schon 31. Eine Tendenz, die nicht nur in Potsdam sondern in ganz Mitteleuropa auszumachen sei. Gleichzeitig sind die Nächte deutlich wärmer geworden, so genannte Tropennächte – über 20 Grad – sind keine Seltenheit mehr. Die Wärmebelastung für Mensch und Tier habe gerade dadurch deutlich zugenommen. „Zirka 35 000 Hitzetote in Europa im Jahr 2003 sind ein trauriger Beleg dafür“, so die PIK-Forscher.
Als Ursache dieser Entwicklung sehen die Potsdamer Klimaforscher das häufigere Auftreten von stabilen Hochdrucklagen im Sommer in Mittel- und Osteuropa. Dies wiederum sei eine unmittelbare Folge der sich auf Grund der allgemeinen globalen Erwärmung ändernden großräumigen Luftdruckverteilung, also der Lage der Hoch- und Tiefdruckgebiete. Die globale Erwärmung führen die Forscher bekanntlich auf den Ausstoß des Klimagases Kohlendioxid durch die menschliche Zivilisation zurück.
Typisch für Ostdeutschland ist in den heißen Sommern die große Trockenheit, die auch in diesem Jahr zu erheblichen Dürreschäden bei der Landwirtschaft sorgen wird. Die Trockenheit in Brandenburg und Ostdeutschland ist nach Ansicht von Dr. Manfred Stock vom PIK zwar durch den stärkeren Einfluss des Kontinentalklimas östlich der Elbe nicht ungewöhnlich. Doch wenn die Niederschläge wie prognostiziert um 40 bis 100 Millimeter im Jahr in den kommenden 50 Jahren zurückgehen werden, „dann entsteht daraus ein Problem“. Seit rund 30 Jahren schon beobachten die Forscher die Tendenz, dass die Sommer noch trockener werden, da durch die höheren Temperaturen mehr Wasser verdunstet. In diesem Juli sei das Niederschlagssoll zwar schon erreicht. „Aber mit über 50 Millimetern Niederschlag an einem Unwettertag können die Bauern nichts anfangen“, so Stock. Solche Mengen kann der ausgetrocknete Boden einfach nicht aufnehmen.
In Folge des Klimawandels muss sich Brandenburg nach Ansicht von Manfred Stock auf eine Neuorientierung in der Landwirtschaft einstellen. Für unsere heimischen Getreidesorten sei der in Europa erwartete Temperaturanstieg von zwei bis sechs Grad nicht sehr positiv. Stock empfiehlt auf andere Pflanzenarten umzusteigen. Etwa Energiepflanzen, Pappeln oder Gräser, die mit weniger Wasser auskommen. Auch der Weinbau werde vom Klimawandel profitieren – immerhin lasse das EU-Recht in Brandenburg noch eine Ausweitung des Weinanbaus zu. Empfehlenswert sei auch der Obstanbau, da hier der Wasserbedarf im Frühjahr größer ist als beim Reifeprozess im Sommer. Aber auch für hitzebeständige Pflanzen gelte: wenn Hitze und Trockenheit zu große werden, verringern auch sie ihr Wachstum.
Bei der Umstellung der Landwirtschaft müsse auch bedacht werden, dass es trotz heißer, trockener Sommer in Brandenburg auch weiterhin kalte Winter geben kann. „Die Winter sind insgesamt milder geworden, die Frostperioden seltener, aber ganz verschwinden wird der Frost nicht“, so Stock. Hier empfiehlt der Experte den Einsatz von frostresistenten Züchtungen. Die Trockenheit wird laut Stock in Brandenburg zudem durch die schlechten Böden verstärkt.
Vielleicht wendet sich in diesem Sommer noch das Blatt, die Metereologen halten derzeit zumindest für Anfang August eine Abschwächung der Hitzewelle für möglich. Die Klimaforscher allerdings sehen keinen Grund zur Entwarnung. Eine aktuelle Studie des PIK kommt zu dem Ergebnis, dass bisherige Vorhersagen die globale Erwärmung für dieses Jahrhundert anscheinend unterschätzen. Die tatsächliche Erderwärmung könne durch den Verbrauch fossiler Brennstoffe 15 bis 78 Prozent höher ausfallen als bisher erwartet, da in den bisherigen Projektionen zwar die Wirkung des Kohlendioxides auf die Erdtemperatur, nicht aber die Rückwirkung der Erdtemperatur auf Kohlendioxid ausreichend berücksichtigt worden sei. Ein Effekt, den Wissenschaftler als positiven Rückkopplungseffekt bezeichnen. Das Fazit der Forscher: Auch wenn die Ergebnisse noch mit großen Unsicherheiten behaftet sind, würden sie doch nahe legen, dass frühere Temperaturvorhersagen nach oben korrigiert werden müssen.
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