Links und rechts der Langen Brücke: Stelldichein der Kandidaten
Sabine Schicketanz wundert sich über einen vorgezogenen Bundestags- und Landtagswahlkampf und das maue Europa-Engagement der Parteien
Stand:
Europawahl? Ja, da war doch was Zwischen Karstadt-Pleite und Neubau-Vorhaben ist das Ergebnis des Europa-Bürgervotums in Potsdam fast untergegangen. Zugegeben, viele Bürger waren es auch in der Landeshauptstadt nicht, die ihre Stimme abgeben wollten. Die Wahlbeteiligung lag mit 37 Prozent zwar rund vier Prozentpunkte höher als bei der Europawahl vor fünf Jahren, doch noch immer sind mehr als die Hälfte aller wahlberechtigten Potsdamer nicht zur Urne gegangen.
Eine Abkehr von Europa? Wohl kaum. Die schlechte Vermittelbarkeit der EU-Politik, unübersichtliche Bundeslisten statt einer Personenwahl, schwache Wahlkampf-Botschaften – all die vermutlichen Gründe für das Europa-Desinteresse wurden vielfach aufgezählt. Warum die Parteien es nicht besser können, bleibt allerdings verwunderlich. Geht es nämlich um Landtags- und Bundestagswahlen – in diesem Superwahljahr beide am 27. September – tut sich keiner schwer, Wahlkampf zu machen. In Potsdam ist das jetzt immer besser zu beobachten. Offizielle Anlässe, die in Nicht-Wahljahren oft ohne Partei-Repräsentanten auskommen müssen, werden zum Stelldichein der Kandidaten. Die Sozialdemokraten touren unentwegt durch Stadtteile und Unternehmen, „informieren“ sich vor Ort, verteilen wenn möglich Fördergeldbescheide. Die Linke ist auf diesem Feld weniger aktiv, dafür werden jede Menge Forderungen gestellt, bei denen die Vermutung nahe liegt, dass auch an Wählerstimmen gedacht wurde. Eine Landesbürgschaft für Karstadt will die Linke angesichts der Pleite, gleichzeitig allerdings sollen Stern-Center und Bahnhofspassagen sich erweitern dürfen. Und auf der Breiten Straße sollen immer zwei Spuren befahrbar sein – dass die Bauarbeiten dann nicht mehr im Zeitplan liegen würden, egal. Doch keine falsche Häme. Wahlkampf gehört zum politischen Handwerk. Die Europawahl aber zeigt: Ob es gut und glaubwürdig ausgeführt wird, merkt der Bürger deutlich.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: