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Von Juliane Wedemeyer: Sterne, Filme und Gene
Die Zukunft steckt in Potsdam in Kuppeln, hinter Ziegelmauern und in Gewächshäusern. Die Futour führt dorthin.
Stand:
Der Start: Die Zukunft beginnt kurz hinter dem S-Bahnhof Griebnitzsee. Dort startet die Futour – in der Prof. Dr. Helmert- Straße. Links liegt die Juristische Fakultät der Universität, rechts die Gleise der S-Bahn. Es ist 11 Uhr, der Himmel bedeckt. Die letzte Station ist rund 15 Kilometer entfernt. Es geht nach links in die August-Bebel-Straße.
Erste Etappe: Nach Zukunft sieht die alte Reichsbahnvilla am linken Straßenrand nicht aus. Aber in dem Backsteingebäude in der August-Bebel-Straße 88 sitzen seit 2005 die Hasso Plattner Ventures. Sie investieren in junge IT-Firmen mit neuen Ideen und helfen ihnen so, sich am Markt zu etablieren. In 13 Fällen soll es bis jetzt geklappt haben, 23,5 Millionen Euro sind seitdem in die Unternehmen geflossen. Direkt neben Hasso Plattner Ventures steht ein moderner Bau – die School of Design Thinking. Hier versuchen Studenten technische Geräte und Computerprogramme so zu konstruieren, das Menschen intuitiv mit ihnen umgehen können. Rechts geht es in Marlene-Dietrich- Allee. Zur ersten Station.
Hochschule für Fernsehen und Filmkunst: Die Filmkulissen der Babelsberger Studios rechts zeigen das alte Berlin. Science Fiction gab es aber auch: 2008 drehte Constatinfilm hier „Pandorom“, dieses Jahr soll der Film in die Kinos kommen. Die Zukunft sieht darin ziemlich düster aus.
Die Hochschule dahinter ist dagegen ziemlich hell. Ein gläserner Bau, dessen Ecke auf überdimensionalen Mikado-Stäbchen zu stehen scheint. Die Filmemacher von Morgen sitzen gerade im „Filmriss“, ihrer Cafeteria. Ein junger Mann in karierter Hose mit Schiebermütze auf dem Kopf trinkt Kaffee aus der Thermoskanne. Das passt gar nicht zu seiner futuristischen Umgebung. Von innen sieht die HFF ein wenig aus wie eine riesige Raumstation, in der Bambus wächst und eigene Häuser stehen. Die sind untereinander mit begehbaren Holzbrücken verbunden.
Zweite Etappe: „Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben.“ Albert Einstein hat das gesagt. Darum ist der Wissenschaftspark „Albert Einstein“ auf dem Telegrafenberg das nächste Ziel. Von der Marlene-Dietrich-Allee geht es geradeaus weiter bis zur Großbeerenstraße, dann rechts herum. Auf der dicht befahrenen Straße trennt ein Strich den Radweg von der Fahrbahn ab. Nach einem Kilometer links in den Horstweg abbiegen und dann immer weiter, über die Nuthe und über die Heinrich-Mann-Allee hinweg, dorthin wo der Horstweg seinen Namen ändert - in den Waldweg. Und der endet tatsächlich direkt im Wald, am Fuße der zweiten Station. Jetzt braucht man ein Mountainbike und Muskeln – oder man schiebt das Rad kurz den Hang hinauf.
Der Telegrafenberg: Die Waldwege sind nicht in allen Karten eingezeichnet. Aber wer sich rechts hält, stößt irgendwann an die Ziegelmauer des Neuen Friedhofs. Der Tod ist Zukunft für jeden. Am Friedhof entlang geht es Richtung Norden zum Eingang des Wissenschaftsparks. Und das heißt Absteigen, Radverbot. Der Pförtner zeigt, wo die Fahrradparkplätze stehen und verkauft gleich eine kleine Broschüre mit lohnenden Fotos für 2,50 Euro. „Die hatten hier immer mit Sternen zu tun“, erklärt er.
Schon im 19. Jahrhundert beobachteten Forscher hier das All. Die vielen Kuppeln fallen auf, Sternwarten. Das ehemalige Astro-Hauptgebäude von 1878 hat sogar drei. Noch zu DDR-Zeiten saßen in ihm Astronomen, seit 2001 gehört es dem PIK, dem Potsdam-Institut zur Klimafolgenforschung. Sein Chef Hans Joachim Schellnhuber berät die Kanzlerin bei klimapolitischen Fragen. Ihm geht es um die Zukunft unseres Planeten. Wer das Institut durch den Haupteingang betritt, steht plötzlich direkt vor einem alten, vergilbten Globus, an dem ein Zettel klebt. „Der Globus ist beschädigt“, steht drauf.
Gegenüber des PIKs verbirgt sich hinter grünen Baumkronen der Helmert-Turm. Wie die Straße an S-Bahnhof Griebnitzsee ist der nach dem früheren Direktor des Geodätischen Instituts benannt. Bis 1917 leitete es Friedrich Robert Helmert. Neben dem Turm mit Blechkuppel stehen eigenartige blecherne Forschungsstationen, von denen eine wie ein Hexenhäuschen aussieht. Der Wellblechmantel sollte das Raumklima regeln. Der nächste Kuppelbau ist nur wenige Schritte entfernt: der Große Refraktor, der 1899 eingeweiht wurde.
In dem Observatorium stehen gerade 20 Mädchen. Es ist Zukunftstag in Brandenburg. Die Teenager wollen Berufe kennenlernen. Vielleicht wird eine von ihnen später Astronomin. Auf der anderen Seite des Refraktors steht ein roter Doppelstockbus. „Filmbus“ steht dran. Drinnen sitzt ein Mann mit Security-Schildchen an der Jacke und löst Kreuzworträtsel. Das ZDF drehe hier einen Film übers Universum, sagt er. Der solle dann dem englischen Prinzen Charles gezeigt werden, wenn er in der nächsten Woche Potsdam besucht.
Und Einstein? Der war auch hier. 1924 leitete er die erste Sitzung des Kuratoriums des Kaiser-Wilhelm-Institutes für Physik im neuen Einstein-Turm. Schließlich war er der Direktor des Instituts. Erich Mendelsohn hatte ihn geplant. Es war ein zukunftsweisender Bau damals. Eigentlich wollte ihn Mendelsohn ganz aus Eisen und Beton bauen. Aber das hat nicht so gut geklappt. Seine endgültige Form hat er aus Spritzputz modelliert, der ständig riss. Schon 1927 musste der Turm zum ersten Mal wieder instand gesetzt werden. Wer sich über den Telegrafenberg führen lassen will, sollte unter (0331) 288 1040 anrufen.
Dritte Etappe: Über die Albert-Einstein- Straße, die Lange Brücke und die Breite Straße geht es nach Potsdam-West; Feuerbach-, Lennéstraße und dann direkt in den Park Sanssouci. Der Ökonomieweg links eingebogen führt zum Neuen Palais. In den Backsteinhäusern dahinter sitzen die Mathematiker der Universität Potsdam. Und die Cafeteria ist bis 15 Uhr geöffnet. Vom Neuen Palais fährt das Rad jetzt die Lindenallee entlang nach Golm. Dort gibt es auch einen Wissenschaftspark. Max-Planck- und Fraunhofer-Institute haben sich in Golm angesiedelt und die Naturwissenschaftler der Universität. Ein Wegweiser führt dorthin. Es ist 14.30 Uhr und die Sonne scheint ab und zu durch die Wolken hindurch.
Wissenschaftspark Golm: In einem goldglänzendem Bau sitzen die Astrophysiker, die Biochemiker und Ernährungswissenschaftler sitzen in einem knallblauen und knallrotem Haus. Wer zuerst nach rechts auf den Parkplatz einbiegt, trifft auf ein eigenartiges, beleuchtetes Gewächshaus. An den Pflanzen darin kleben Zettel mit Nummern. Warum das so ist, erklärt Martin Steup, Professor für Pflanzenphysiologie. Das Gewächshaus sei besonders sicher, so dass seine Forscher auch genveränderte Pflanzen anbauen und beobachten könnten. Sie wollen so möglichst alles über den molekularen Aufbau der Pflanzenzellen herausfinden. Steups Traum ist es, dass dieses Wissen eines Tages beim Kampf gegen menschliche, neurodegenerative Krankheiten hilft.
Denn was den Stoffwechsel einer Zelle angeht, unterscheide sich der Mensch kaum von einer Pflanze. Er arbeite jedenfalls schon mit den Medizinern zusammen.
Juliane Wedemeyer
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