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Homepage: Stille Wasser sind nicht immer tief

Das Deutsche GeoForschungsZentrum GFZ untersucht die Entwicklung des regionalen Wasserhaushalts

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Viele rote und orange Flecken prangen auf der Karte mit der Entwicklung des Grundwasserspiegels in Brandenburg für die Jahre 1976 bis 2005. Mit den verschiedenen Farben machen die Forscher auf der Karte deutlich, wie sich der Wasserhaushalt verändert hat. Rot und Orange bedeutet, dass das Wasser massiv zurückgegangen ist.

Knut Kaiser ist Wissenschaftler am Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ) auf dem Telegrafenberg in Potsdam. In verschiedenen Studien haben unter anderem er und seine Kollegen für den Nordosten Deutschlands nachgewiesen, wie sich Flüsse, Moore, Seen und Grundwasser verändern. Untersucht wird das Gebiet Mecklenburg-Vorpommerns, Brandenburgs und Berlins. Deren Flächen haben ein vergleichbares, schon recht kontinental geprägtes Klima. Ein besonderes Augenmerk gilt Gebieten, in denen sich die Veränderung von Wasser und Boden besonders gut nachweisen lässt. Ein Diagramm der Grundwasserspiegelentwicklung aus der Umgebung von Potsdam zeigt einen Rückgang von zwei Metern in den Jahren 1960 bis 2005. 2010 hingegen war für Brandenburg das hochwasserreichste Jahr seit dem Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1854. Auch 2011 war enorm regenreich. „Das sagt aber nichts über den langfristigen Trend aus“, kommentiert Kaiser. Langfristig werde das Klima offenbar trockener.

Das zeigt sich beispielsweise beim Moosfenn. Wenige Kilometer südlich von Potsdam gelegen in den Ravensbergen, wurde das kleine Kesselmoor bereits 1906 unter Schutz gestellt und seitdem regelmäßig wissenschaftlich untersucht. Das ermöglicht relativ genaue Aussagen über die Veränderung des Wasserhaushaltes in den vergangenen Jahrzehnten. „Der Grundwasserspiegel ist dort seit den 1960er Jahren nahezu kontinuierlich zurück gegangen, das Moor stark ausgetrocknet“, stellt Kaiser fest. Dramatisch sei das aber nicht unbedingt, denn in der Geschichte des etwa 12 000 Jahre alten Moores hätte sich sein Zustand häufiger sehr stark verändert.

Das GeoForschungsZentrum in Potsdam untersucht unter anderem den Wasserhaushalt der Erdoberfläche unter lokaler, regionaler und globaler Perspektive. Es gibt unter der Leitung von Professor Bruno Merz dafür eine Sektion Hydrologie, die einen ausgezeichneten Ruf in der internationalen und nationalen Fachwelt besitzt. „Auch in Deutschland finden massive Veränderungen statt“, sagt Kaiser und verweist auf die Temperaturentwicklung der vergangenen 130 Jahre. Die zeige, dass sich das Klima in Deutschland in diesem Zeitraum um etwa ein Grad erwärmt hat. Das klinge zwar erst einmal nicht besonders aufregend, meint Kaiser. Entscheidend aber sei, dass eine kleine Temperaturänderung unter Umständen eine starke Wirkung auf den Wasserhaushalt habe und sich der Temperaturanstieg bis 2100 vermutlich beschleunigen werde.

Die Lage in Nordostdeutschland verschärft sich indes noch dadurch, dass aufgrund des schon recht kontinentalen Klimas auch vergleichsweise wenig Regen fällt. Während in den nordwestlichen Bundesländern im Jahresdurchschnitt bis zu 800 Millimeter Niederschlag fallen, beträgt der Wert in manchen Gegenden Brandenburgs unter 500 Millimeter. Am regionalen „Wasserstress“ ist allerdings die mittlerweile Jahrhunderte dauernde intensive Kultivierung der Landschaft durch den Menschen nicht unschuldig. 90 Prozent der Fließgewässer Brandenburgs sind Gräben und Kanäle, die eine Gesamtlänge von fast 30 000 Kilometern aufweisen. Viel Aufwand hat der Mensch darauf verwandt, Flüsse zu bändigen, Moore trocken zu legen und den Wald so zu gestalten, dass möglichst viel industriell verwertbares Holz wächst, in Brandenburg also vor allem Kiefer. Das Ergebnis ist nun ein Wald, der mit 75 Prozent Nadelholzbestand erheblich weniger Grundwasser liefert, als das ein Mischwald könnte und eine Moorlandschaft, die austrocknet und dabei erhebliche Mengen von Treibhausgasen freisetzt.

„Austrocknende Moore sind eine Dreckschleuder“, kommentiert Kaiser. Die Gesamtanalyse unterstreicht der Wissenschaftler eindruckvoll mit Fotos von Seeufern, die einen breiten Sandstrand dort zeigen, wo sich eigentlich im Schilf Enten und Haubentaucher tummeln sollten und Fotos vom Flussbett der Schwarzen Elster, die in den Jahren 2003 und 2006 vollständig ausgetrocknet war. Die Schwarze Elster ist ein „Opferfluss“. „Also ein Fluss, der den wirtschaftlichen Interessen im 19./20. Jahrhundert geopfert wurde, und in maximalem Umfang zur Wasserver- und Abwasserentsorgung genutzt wurde“, erläutert der Geowissenschaftler. Ein vollständig ausgetrockneter Fluss kann allerdings auch keine Opfer mehr bringen, gibt er zu Bedenken.

Anstrengungen der Entwicklung entgegen zu wirken gibt es durchaus. Einerseits werden die Wasserhaushalte in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern genau untersucht. Unter anderem am Großen Fürstenseer See im Müritz-Nationalpark wo eine Gruppe von Hydrologen um Dr. Theresa Blume vom GFZ derzeit im Rahmen des sogenannten Tereno-Projekts ein aufwändiges Monitoringprogramm realisiert. Es ist hier unter anderem vorgesehen, mit Gravimetern die im Untergrund gespeicherte Wassermenge zu beziffern. Der See eignet sich besonders gut als Studienobjekt, weil er über keinen natürlichen Zu- und Abfluss verfügt und deshalb Klima- und Landnutzungseinfluss dominiert.

Andererseits gibt es Bestrebungen Binnenentwässerungsgebiete wieder herzustellen, so beispielsweise im Naturpark Uckermärkische Seen. Dort werden im Rahmen eines Naturschutzgroßprojektes unter anderem Entwässerungsgräben zugeschüttet, so dass sich das Wasser wieder in ehemals trocken gelegten Mooren sammeln kann. „Was früher als lokale Wertschöpfung sinnvoll war, kann jetzt bei gesamtgesellschaftlicher Abwägung fraglich erscheinen“, so Geoforscher Knut Kaiser. Richard Rabensaat

Richard Rabensaat

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