zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Stippe, Strippe, Gummifisch

Bei „Angeljoe“ gibt es alles, um Fische aus dem Wasser zu holen – um sie sie zu überlisten, sagt Inhaber Leo Wirnshofer

Stand:

Angelsaison ist immer. Auch Tim weiß das. Der Neunjährige ist Stammkunde bei „Angeljoe“, hier hat er bei einem Kinderkurs Angelgrundkenntnisse erworben und ist schon fast ein alter Hase. „Naja, für einen Anfänger genügt eine Stippe, Strippe dran, Haken, Pose und Wurm“, sagt er ganz fachmännisch. An diesem herben Vorfrühlingsnachmittag kauft er einen Gutschein für seinen Kumpel zum Geburtstag. Den will er für dieses Hobby gewinnen.

So kann es anfangen, sagt „Angeljoe“-Inhaber Leo Wirnshofer. Wer einmal Feuer gefangen hat und dabei bleibt, der findet in dem Fachgeschäft des 27-Jährigen alles, was man dafür brauchen könnte – egal ob man es auf heimische Friedfische aus Baggersee oder Havel abgesehen hat oder in Ostsee oder Atlantik Größeres sucht. „Das kann ein teures Hobby werden“, sagt Wirnshofer. „Nach oben hin ist die Grenze offen.“ Bei ihm gibt es Anfänger-Angelsets für 25 Euro – und Hightech-Zubehör für vierstellige Summen. Es ist ein riesiger Markt, sagt Wirnshofer, mehrere Milliarden Euro geben die Deutschen im Jahr für Angelzubehör aus. In Brandenburg werde es Anfängern und auch Angeltouristen besonders leicht gemacht, weil man hier, im Gegensatz zu allen anderen Bundesländern, für Friedfische keinen Angelschein machen muss. Dafür genügt eine Angelkarte für das jeweilige Gewässer, unter anderem bei „Angeljoe“ zu bekommen. Wasser gebe es hier ja genug.

Weil mit diesem Sortiment quasi nichts schiefgehen konnte, hatte Wirnshofer, der bei „Angeljoe“ in Berlin eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann machte, genug Mut, in Potsdam in Eigenverantwortung eine eigene Filiale zu gründen. Damals war er erst 22 Jahre alt. Seitdem läuft es gut, sagt er. Er könnte locker die doppelte Ladenfläche bespielen. Dabei ist die Halle in dem Industriegebiet am Stern bereits 600 Quadratmeter groß. Dicht an dicht in Kaufhallenmanier stehen hier Regale, bestückt mit den tausend kleinen Dingen, die es braucht, um Fische aus dem Wasser zu ziehen – mit welcher Methode auch immer. Kisten und Kästen voller Gewichte und Haken, Schnur und Posen, Schwimmer, Rollen, Wirbel, Stopper, Köder und Fliegen. Wie ein Staketenzaun durchziehen Hunderte aufgereihter Angelruten den Laden. Mittendrin steht der Besucher plötzlich vor einem kleinen Pool. Mit Wasser. Hier kann man vor dem Kauf Angelrute oder Köder ausprobieren.

Auch Tim, der bisher nur Friedfische fängt, zieht hier gern einmal einen Gummifisch an einer Rute durch das Wasser. Die Attrappe hat seitliche vertikale Einschnitte und entwickelt dadurch im Wasser eine überraschende Eigendynamik, die das Gummitier wie einen lebendigen Fisch aussehen lässt. „So kriegt man auch den Hecht“, sagt Leo Wirnshofer.

Jedes Jahr kommen neue Entwicklungen auf den Markt, mit denen der Fisch überlistet werden soll. „Fische sind nicht dumm, aber vorsichtig, misstrauisch“, sagt Wirnshofer, der natürlich selbst auch angelt. Er zeigt Aufnahmen einer Unterwasserkamera, wo man sieht, wie ein Fisch immer wieder einen Köder probiert – und nach Sekundenbruchteilen ausspuckt. „Der spürt sofort, dass da was nicht stimmt.“ Also muss der Mensch erfinderisch sein. Es gibt schon Geräte, die aussehen wie Navis. Sie zeigen Wasserkarten an – und mittels Echolot alles, was sich unter dem Boot befindet. Sei es ein Bodenhindernis oder ein fetter Wels. Wobei man so einen fetten, also alten, Burschen auch nicht mehr unbedingt essen möchte. Dann befriedigt der Fang immerhin den Ehrgeiz des Anglers. „Es gibt Leute, die liegen dafür 14 Tage am Wasser und schlafen unter freiem Himmel.“

In der Campingabteilung findet sich, was man dafür braucht, ob minimalistisches Dreibein, beheizbares Zelt – oder elektronischer Bissanzeiger, falls man sich doch mal kurz vom Tatort entfernen muss. Selbstverständlich ist sämtliches Angelzubehör in dunklem Petri-Grün gehalten. Denn, sagt Wirnshofer, Fische können Farben sehen. In rosa Gummistiefeln braucht man Angeln gar nicht erst zu versuchen.

Zu den Kunden von „Angeljoe“ gehören Männer aller Alters- und Berufsgruppen, gern auch in der Kombination Großvater, Vater und Enkel. Und immer mehr Frauen. „Er hat geangelt und dann hat es mich eben auch gepackt“, sagt eine junge Frau, die mit ihrem Mann Zubehör für eine Tour nach Schweden kauft. Das sei das Schöne an dem Hobby – man verbringe viel Zeit draußen in der Natur. Doch das Paar angelt nicht für den Verzehr. Was gefangen wird, geht zurück ins Wasser. „Catch and Release“, Fangen und Freilassen, heißt die Methode. Für den Fall Mann über Bord gibt es in der Klamottenabteilung Überlebensanzüge. Damit soll man es ein paar Stunden in der kalten Nordsee aushalten können.

Neben dem Verkaufstresen befinden sich hinter Verschluss in einer Vitrine Messer für Männer, Taschenlampen, Uhren. Außerdem Spezialsonnenbrillen, beschichtet, um Spiegelungen der Wasseroberfläche zu kompensieren, Fachbücher, Zeitschriften und DVDs voller Anglerlatein. Und ein Kühlschrank für die Lebendköder. 500 Gramm Maden gibt’s für 2,99 Euro, die Dose Rotwurm oder Mehlwurm kostet 1,40 Euro. Bei höchstens zwei Grad plus halten sie sich ein Weilchen, sagt Wirnshofer, und stellt die Styropordose mit Regenwürmern, die sich dort in einer Handvoll Erde winden, schnell wieder zurück.

Gerlachstraße 10, Tel. (0331) 86 71 263

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })