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Landeshauptstadt: Stolperstein in der Mitte?

Architekt: Wir wollen kein Schloss zurück bauen

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Architekt: Wir wollen kein Schloss zurück bauen STANDPUNKTE Von Günther Vandenhertz Professor Dorgerloh, der Generaldirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, hat noch ein indifferentes Verhältnis zur geplanten Wiedergewinnung der Potsdamer Mitte. (siehe „Klassik plus Gespräch“ PNN vom 31. Januar 2004) Liegt es an seiner denkmalpflegerischen Vorgeschichte, in der alle Gebäude, die zerstört worden sind, als endgültig verloren eingestuft werden? Wertvolle Gebäude und städtebauliche Ensemble werden als gebaute Geschichte, als nationale Symbole im Bewusstsein der Menschen empfunden. Sie sind nicht einfach auszulöschen, so wenig wie die Werke von Goethe, Beethoven, Dürer oder Barlach, um nur einige zu nennen. Historische Bauwerke gehören zu den wesentlichen Bestandteilen des kulturellen Gedächtnisses einer Nation. Die Bewahrung der kulturellen Integrität gehört zu den wichtigsten Aufgaben, besonders in der Zeit der Globalisierung. Das Bedürfnis nach einer kulturellen Bindung ist eine Urkraft. Auf seiner Basis hat sich unsere abendländische Kultur über Jahrhunderte entwickelt. Nur aus diesem Bedürfnis ist der gewaltige Wille des befreiten polnischen Volkes zu verstehen, in größter Not der Nachkriegszeit, die zerstörten Stadtzentren vieler Städte wieder aufzubauen. Bis heute werden nach einem schweren Erdbeben die zerstörten norditalienischen Städte Gemona und Venzone originalgetreu wieder aufgebaut. Wir in Deutschland sind durch unsere jüngste tragische Geschichte belastet und darin liegen unsere Probleme. Wir haben die Zerstörung wertvoller Kulturgüter im Lande und in Europa verschuldet. Auch die Nachkriegszerstörung, insbesondere in Potsdam, trägt den Stempel einer breiten Duldung und damit der Mitschuld. Aber wir sind auf dem Weg der Aufarbeitung unserer Geschichte. Es entwickelt sich wieder eine Identität der Bürger mit ihrer Stadt und dem Land. Vielleicht auch ein gesundes Nationalgefühl. Der Wille für einen demokratischen Neuanfang setzt auch die Sehnsucht frei, die verlorenen kulturellen Meisterleistungen wieder sicht- und erlebbar zu machen. Der gewaltige Trümmerberg der Dresdner Frauenkirche sollte als Mahnmal des grausamen Krieges erhalten werden. Die Wiedererstehung des genialen Bauwerks aus Spendenmitteln geht seiner Vollendung entgegen. Die Brache in unserer Stadtmitte ist jahrzehntelang Mahnung an den Krieg und besonders an die barbarische Zerstörung durch eine intolerante Ideologie gewesen. Die Diskussion um die Rückgewinnung unserer Stadtmitte ist noch immer getrübt von Unsicherheit und Altlasten: Aber es gibt Mehrheiten für den Rückbau der historischen Stadtstruktur und historischer Erinnerungen. Wir wollen kein Schloss zurück bauen. Wir wollen der neuen demokratischen Gesellschaft eine Mitte geben. Mit dem Landtag auf dem Schlossstandort setzen wir uns bewusst in die Tradition des Ortes. Das neue Herz der Stadt und des Landes sollte auf dem Fundament der Geschichte stehen und von hier aus die neuen Impulse ausstrahlen. Wir wollen auch keine Fassadenattrappen bauen, sondern die wertvollsten Teile des ehemaligen Schlosses sollen in Bau- und Raumstruktur zurückgewonnen, aber mit den neuen Funktionen besetzt werden. Unsere Zeit findet ihren Ausdruck in der modernen Gestaltung des Plenarsaals als neues Herzstück der Anlage. Zusammen mit einer breiten öffentlichen Nutzung wird das Gebäude wieder zum Mittelpunkt der Stadt. Mit der Rückgewinnung des Erscheinungsbildes des Bauwerkes erhalten wir gleichzeitig eines der schönsten städtebaulichen Ensembles in Deutschland zurück. In dieser Aufgabe sehe ich eine Verneigung vor der großartigen architektonischen Leistung des 18. Jahrhunderts und gleichzeitig ein gesellschaftliches Bekenntnis zur Wiedergutmachung. Diese Aufgabe darf und sollte mit Opfern verbunden sein. Es ist bedauerlich, dass sich Prof. Dorgerloh in dieser wichtigen städtischen Aufgabe abseits stellt. Verständlich, dass er um jede Mark zur Erhaltung seiner Schlösser in den Parks kämpft. Seine Verantwortung sollte aber nicht am „Grünen Gitter“ enden. Die Stadt war und bleibt Mittelpunkt der großen Kulturlandschaft. Die Erhaltung und Gestaltung des gesamten Kulturraumes muss deshalb eine gemeinsame Aufgabe sein. Eine Frage an Herrn Dorgerloh: „Was würden Sie entscheiden, wenn das Schloss Sanssouci durch eine Einwirkung zerstört würde? Wäre das für Sie auch ein Stolperstein?“ Der Auto, Günther Vandenhertz, ist Architekt und Mitglied des Beirates Potsdamer Mitte

Günther Vandenhertz

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