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Claus Weselsky zu Gast in Potsdam: Streikführer beim Nickerchen

Lokführergewerkschafter Claus Weselsky ist vor allem Bahnreisenden ein Begriff. Am Dienstag referierte an der Potsdamer Uni - zum Thema Verhandlungstaktik.

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Am Ende gab es im Hörsaal 2 auf dem Campus Griebnitzsee am Dienstag sogar zwei Mal längeren Applaus für Claus Weselsky, den Vorsitzenden der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer. Das war nicht unbedingt zu erwarten – angesichts der Tatsache, dass ein Großteil der anwesenden Studenten genau auf die Züge angewiesen ist, die Weselskys Gewerkschaft im zurückliegenden Arbeitskampf des Öfteren gestoppt hatte. Eingeladen hatte den streitbaren Gewerkschafter die Negotiation Academy Potsdam – Verhandlungsakademie heißt das übersetzt. Abkürzung: Nap – was ins Deutsche übersetzt Nickerchen bedeutet.

Langweilig wurde es dennoch nicht. Schließlich sollte Weselsky von den schwierigen Verhandlungen mit der Deutschen Bahn berichten. Titel des Vortrags: „Wir wollten Machbares verhandeln, doch stießen auf eine Totalblockade.“ Zwar baute er zunächst etwas Spannung auf, indem er einen historischen Exkurs über frühere Tarifrunden bis zu Bahnreform 1993 einschob, kam dann aber zum Punkt: „Das waren zwei Züge, die aufeinander zu rasten, gut besetzt, aber ohne Rückzugsoption.“ Die Lokführergewerkschaft wollte einen Tarifvertrag auch für Zugbegleiter abschließen. Die Spitze des zu 100 Prozent bundeseigenen Unternehmens wollte genau das auf keinen Fall. Anders als bei den gewöhnlich in Tarifkonflikten umstrittenen Punkten wie Bezahlung oder Arbeitszeit konnte es keinen quantitativen Kompromiss geben. „Es ging nur ,ja’ oder ,nein’“, so Weselsky.

Dass es in der Tarifauseinandersetzung dann doch eine Lösung gab, sei den Schlichtern – neben Brandenburgs Ex-Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD) vor allem Thüringens Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Linke) – zu verdanken gewesen. Die hätten zum Glück beide Seiten gestoppt, sodass es keinen Zusammenprall gab. Das sage er als CDU-Mitglied, so Weselsky. „Das ist ja nicht die Norm für Gewerkschafter.“

Am Pult des voll besetzten Hörsaales sprach Weselsky flankiert von zwei bunten Blumensträußen. Das Dunkelblau seines Anzugs ähnelte dem der Dienstkleidung der Lokführer. Um deutliche Worte war er nicht verlegen: Machthebel, Kampf, Krieg – um nur einige zu nennen. Doch zeigte er sich auch offen zur Diskussion: „Ich kann mit jeder Meinung umgehen. Sie muss ja nicht zu meiner eigenen werden“, sagte Weselsky vor Beginn der Diskussion.

Bei der Frage, wie sehr ihn der mediale Gegenwind – beispielsweise hatte ihn ein großes Boulevardmedium als „Größen-Bahnsinnigen“ bezeichnet und ein Nachrichtenportal hatte seine Privatadresse veröffentlicht – getroffen habe, ging er jedoch nicht ins Detail. Der Zuspruch der Gewerkschaftsmitglieder habe ihm Kraft gegeben. Wenn er den nicht gespürt hätte, wäre er zurückgetreten. Er hänge nicht an seinem Amt – anders als so mancher Berufspolitiker. „Ich kann morgen wieder eine Lok fahren.“

Übrigens: Nach der Veranstaltung gingen viele der Besucher zum nahe gelegenen Bahnhof. Die beiden S-Bahnen dort fuhren pünktlich ab.

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