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Von Thorsten Metzner: Streit ums „Karli“ taugt nicht zur Unesco-Schelte

Sind die Denkmalpfleger „völlig verrückt geworden?“ Eine Analyse des Babelsberger Welterbe-Konflikts

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Die Unesco hat Potsdam ins Visier genommen. Sie wittert neue Gefahren für das Welterbe. Gleich die UN, was für ein Stoff! Ist etwa eine Stadtautobahn, ein Wolkenkratzer nahe Schloss Sanssouci geplant? Eine Eigenheimsiedlung in der Kolonie Alexandrowka, wo zwischen den paar russischen Blockhütten noch mehr Wiese ist als in vielen märkischen Dörfern? Nichts davon ist der Fall: Die Frühwarn-Erbewächter von Icomos sind alarmiert, weil in Potsdam das „Karl-Liebknecht-Stadion“ saniert werden soll, ganz nebenbei, es ist das einzige der Stadt. Kein Wunder also, dass sich hier viele jetzt fragen: Sind die Unesco, die Schlösserstiftung, die Denkmalpfleger völlig verrückt geworden?

So sieht es der Volkszorn, und der Babelsberger Fußball-Fan sowieso. Der merkwürdige Bolzplatz fast ohne Sitzplätze, fast ohne Regendächer, aus dem dank der Konjunkturmillionen ein mäßiges Provinzstadion werden könnte, wird ja innig geliebt. Und das „Karli“ im Arbeitervorort Nowawes ist heute zudem gewissermaßen ein Gegenpol zum glamourösen Potsdam auf der anderen Seite der Havel, eine populäre, bodenständige, direkte Kiez-Arena. Da passt, dass „Karl Liebknecht“ zwanzig Jahre seit dem Mauerfall überlebte.

Und trotzdem: Der Fall taugt nicht zur billigen Unesco-Schelte. Das „Karli“ liegt am Fuße des Flatowturms, fast im Babelsberger Welterbe-Schlosspark. Und im Potsdamer Welterbe ist nicht allein geschützt, was sich innerhalb der Parkzäune von Sanssouci, dem Neuen Garten oder Babelsberg befindet, was man ähnlich auch anderswo in Deutschland, in der Welt sieht. Potsdam ist Welterbe, weil diese Parks und Schlösser mit der Stadtlandschaft verwoben sind, über Sichtbeziehungen wie ein filigranes, klug geknüpftes dichtes Spinnennetz, mit überraschenden Blickschneisen und Panoramen. Potsdam wurde Welterbe, weil die Stadt einst nach einem „Verschönerungsplan“ von Peter Joseph Lenné zum Gesamtkunstwerk komponiert wurde, von dem trotz aller Zerstörungen und Bausünden viel erhalten blieb. Lässt sich das überhaupt konservieren?

Konflikte sind programmiert, überall, siehe Dresden, Köln. Natürlich hat die Moderne berechtigte Ansprüche, an Raum, an Stadt, an Landschaft, auch in und um Welterbestätten. Der neue Streit um Potsdam kommt nur deshalb so überraschend, weil die Stadt ihre Lehrjahre schon lange hinter sich hat. Potsdam hat Lehrgeld gezahlt, als man in den 90er Jahren am Glienicker Horn, beim Potsdam-Center auf Konfrontationskurs ging, vordergründig zur fernen Unesco, in Wirklichkeit aber, die Einsicht brauchte ihre Zeit, zum eigenen Erbe. Diese Zeiten sind vorbei, seit im Rathaus eine andere Kultur einzog, seit Konflikte mit der Schlösserstiftung durch frühe Kommunikation, rechtzeitige Abstimmungen entschärft wurden. Was aber ist in Babelsberg schief gelaufen?

Die Verantwortlichen in Stadt und Land wissen seit Ewigkeiten, wie sensibel die Lage des Stadions ist. Sie wissen, dass die acht Millionen Euro Konjunkturmittel schnell verbaut werden müssen. Warum aber sind Stiftung, Landesdenkmalamt, Unesco-Experten überhaupt nicht informiert und einbezogen worden, seit die Sanierung besiegelt wurde? Das soll, so hat Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) jetzt versichert, geschehen, wenn die Planungen fertig sind. Aber genau da liegt der Potsdamer Rückfall: Denn während der Planungen lassen sich am ehesten intelligente Kompromisse finden. Dass die Erbehüter dazu bereit sind, sieht man heute schon – an den abknickbaren Flutlichtmasten. Und natürlich wissen sie auch, dass eine Verlegung des „Karli“ womöglich die größere Gefahr wäre: Dann müsste die alte Immobilie verwertet werden, um die neue Arena zu finanzieren. Dann hätte Potsdam ein neues Glienicker Horn, ein neues Potsdam-Center, mit einem Stadion nicht unbedingt. Jenseits aller Emotionen gilt: Es sind Kompromisse möglich. Viele Fans werden auch künftig den Regenschirm mitnehmen müssen. Aber die Unesco wird das „Karli“ nicht schleifen.

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