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Von Juliane Wedemeyer: Striche, Beile, Teigtaschen

In der Bibliothek können Kinder seit gestern Taiwan entdecken –  mit allen Sinnen

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Ein Querstrich ist eine Eins und ein Kreuz eine Zehn. Zumindest als chinesische Schriftzeichen. „Wie schreibt man dann eine Elf?“ fragt Chen Yu-Shum. Die Sechstklässler aus der Karl-Foerster-Schule recken ihre Arme hoch. Die zwölfjährige Lisa schnippst und rollt mit ihren graublauen Augen, so dass der Sprecher der Taipeh-Vertretung der Bundesrepublik nicht länger widerstehen kann. Sie darf ihre Antwort auf ein weißes Blatt schreiben und liegt richtig: ein Kreuz, hochkant über einem Strich – so sieht die chinesische Elf aus. Als Belohnung bekommt Lisa einen kleinen Ball, made in Taiwan, versteht sich.

Gestern eröffnete in der Potsdamer Kinder- und Jugendbibliothek die Ausstellung und Projektwoche „Kinder entdecken Taiwan“. Die Schüler aus Bornstedt waren die ersten, die sich die eindrucksvollen Landschafts- und Menschen-Porträts Taiwans ansahen.

Ein wenig hatten die Schüler schon über die Insel vor China, die sich mit der Volksrepublik um ihre politische Unabhängigkeit streitet, im Unterricht gelernt. Zum Beispiel, dass Taiwan rund 10 000 Kilometer von Potsdam, wo 60 Taiwanesen leben, entfernt liegt und dass die Taiwanesen Mandarin sprechen.

Wu-Lien Wei, der Repräsentant der Taiwans in Berlin, erzählt ihnen nun, dass Deutschland der Handelspartner Nummer Eins aus ganz Europa für sein Land sei. Und dass die Kinder in seiner Heimat ein viel härteres Leben haben als ihre Potsdamer Altersgenossen. Sie müssten jede Woche eine schwere Prüfung ablegen und jeden Tag ganz viel Hausarbeiten erledigen. Aber Chinesisch ist auch einfach eine schwere Sprache. Das weiß auch Sprecher Chen. Als Kind habe er große Schwierigkeiten gehabt seinen Namen zu schreiben. Er setzt sich aus drei Schriftzeichen zusammen. „36 Striche muss ich dafür ziehen“, sagt er und schreibt seinen Namen auf Lisas Ball. Sie wollte ein Autogramm.

Als Ausgleich haben die taiwanesischen Kinder in der Schule Fächer wie Kung Fu, lernen die Potsdamer Schüler. Show-Kämpfer Chen Cuowg zeigt den Kindern Kung Fu-Schritte. Der kleine Mann, der ihnen eben noch lächelnd und kichernd etwas über den Sport erzählt hat, schwingt jetzt mit grimmiger Miene ein Riesenbeil über seinem Kopf und geht auf die Kinder los. Die schrecken zurück. „Ist die Waffe echt?“, will ein Mädchen nach der Vorführung wissen. Nein, sie ist Attrappe. Darum dürfen sie auch alle einmal anfassen.

Nach ein paar Trainingseinheiten von Meister Chen Cuowg gibt es dann das Highlight. Das findet zumindest Sprecher Chen Yu-shun: Original-taiwanesisches Essen. Seine Vertretung serviert den Kindern Baozi, gefüllte Teigtaschen, und Ananaskuchen.

Bis zum 10. Oktober ist die Ausstellung noch zu sehen. Heute und morgen geht es in der Bibliothek am Kanal jeweils von 10 bis 12 Uhr um das taiwanesische Grundnahrungsmittel Reis und typische Gewürze. Kinder dürfen Spezialitäten selbst herstellen. Und am Donnerstag können Kinder zur selben Uhrzeit asiatische Papierschnittkunst erlernen und versuchen, mit dem Pinsel chinesische Schriftzeichen zu zeichnen; nur solche mit wenigen Strichen.

Juliane Wedemeyer

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