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Zu vergeben. 56 Sitze hat Potsdams Stadtverordnetenversammlung. Um diese Plätze bewerben sich bei der Kommunalwahl am 25. Mai insgesamt 534 Kandidaten. Die meisten Bewerber schickt mit 83 die SPD ins Rennen, dicht gefolgt von den Linken und Die Andere mit je 82. Die Grünen haben 80 Kandidaten aufgestellt, die CDU/ANW stellt 78 Bewerber.

© M. Thomas

Landeshauptstadt: Stühlerücken

Am 25. Mai wählt Potsdam ein neues Stadtparlament. Es wird wohl bunter als das alte. Eine Analyse

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Es geht um die letzten vier Jahre seiner Amtszeit. Deshalb muss Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) mit Sorge auf den 25. Mai blicken. An diesem Tag wählen die Potsdamer die neue Stadtverordnetenversammlung. Vom Ausgang hängt ab, mit welchen Mehrheiten Jakobs regieren kann: Wird es eine Neuauflage des bunten Rathausbündnisses aus SPD, CDU, Grünen und FDP geben können? Kommt in Potsdam doch Rot-Rot so wie im Land – ein Bündnis, das Jakobs nie ausgeschlossen hat? Oder gibt es eine handfeste Überraschung?

Seit der vergangenen Kommunalwahl im Jahr 2008 hatte Jakobs zumindest bei der Mehrzahl der wichtigen Entscheidungen dank der Rathauskooperation komfortable Mehrheiten. Krachende Abstimmungsniederlagen gehörten aber auch dazu, besonders in den vergangenen Monaten angesichts des näher rückenden Wahltermins. Zuletzt zerbrach in der Auseinandersetzung um die dringend benötigten neuen Schulen für Tausende Potsdamer Kinder sogar das Rathausbündnis. Union und FDP lehnten Steuererhöhungen zugunsten der Schulfinanzierung ab, SPD und Grüne nahmen stattdessen die Linke mit ins Boot. Rot-Rot-Grün – eine wegweisende Entscheidung für die Zeit nach dem 25. Mai?

Umfragen im Vorfeld der Kommunalwahl gibt es nicht, der Ausgang ist völlig offen. Auch, weil dieses Mal mit den Potsdamer Demokraten, einer 2011 von der CDU abgesplitterten Wählergruppe, und der europakritischen Alternative für Deutschland (AfD) zwei neue Akteure berechtigte Aussichten auf Sitze im Stadtparlament haben. Und für Jakobs werden die kommenden Jahre ohnehin nicht einfacher. Es stehen unbequeme Entscheidungen an. Kämmerer Burkhard Exner (SPD) warnt schon jetzt, dass zur Finanzierung der Infrastruktur der im Eiltempo wachsenden Landeshauptstadt – speziell für die neuen Schulen – noch eine weitere Erhöhung der Grundsteuer auf Immobilien und Grundstücke nötig ist. Doch wer soll dafür die Hand heben?

Da ist die Linke, bislang stärkste Fraktion im Stadtparlament. Sie hatte bei der Kommunalwahl 2008 genau 31 Prozent erreicht, vier Prozentpunkte mehr als die SPD. Notgedrungen nahm sie die Rolle der größten Oppositionsfraktion ein, machte der Rathauskooperation, die auch ein Anti-Linke-Bündnis war, das Leben schwer. Stünde die Linke überhaupt noch für ein Bündnis mit der SPD zur Verfügung? Zwar sind beide Parteien in Sachfragen oft nicht weit auseinander und sich mit der Einigung zu den Schulfinanzen auch näher gekommen. Doch menschlich kommen wichtige Protagonisten nicht miteinander klar: Bekannt sind die gegenseitigen Vorbehalte zwischen Linke-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg und SPD-Fraktions- und Parteichef Mike Schubert sowie dessen Vize Pete Heuer. Der war früher Linke-Kreischef und nach seiner Absetzung zu den Sozialdemokraten gewechselt. Auch die Kandidatur von Ex-Stadtwerkechef Peter Paffhausen für die Linken wird in der SPD mit Argwohn betrachtet. Zudem hat der jetzige Kreischef der Linken, Sascha Krämer, die Partei für junge Linke geöffnet, die sonst auch bei der linksalternativ orientierten Wählergruppe Die Andere eine politische Heimat gefunden hätten. Geht diese ideologisch ausgerichtete Linke-Basis, die sich als Opposition sieht, mit der Regierungspartei SPD zusammen? Zumal Krämer, der vermutlich ins Stadtparlament einziehen wird, stets betont, dass seine Partei statt eines Bündnisses wechselnde Mehrheiten favorisiert. Allerdings ist es angesichts des Booms der Stadt in den vergangenen Jahren ungewiss, ob die Linke tatsächlich noch einmal so stark werden kann wie beim letzten Mal.

Wie das Wachstum Potsdams sich auf den Wahlausgang auswirken wird, ist auch für alle anderen Parteien ein Rätsel. Jedes Jahr seit 2008 sind 10 000 neue Potsdamer zugezogen, jeweils 8000 haben die Stadt verlassen. Das könnte in einer jahrelang von SPD und Linken dominierten Stadt die Kräfteverhältnisse verschieben. Einen Vorgeschmack lieferte die Bundestagswahl, bei der die CDU erstmals im roten Potsdam gewann, mit 27 Prozent. Ob ihr allerdings dieser Schwung bei der Kommunalwahl hilft, ist unsicher: Das innerparteiliche Hin und Her wie jüngst zur Bettensteuer zeigt, dass die fast schon traditionellen Machtkämpfe in der Potsdamer Union weitergehen. 2008 war die CDU, damals nach harten Querelen geschwächt, auf lediglich 11,8 Prozent gekommen.

Doch auch andere Parteien haben mit internen Streitigkeiten zu kämpfen – besonders die Grünen, die 2008 noch 8,3 Prozent erhielten. Die Grünen-Fraktion liefert sich eine Dauerfehde mit Parteifreund und Baudezernent Matthias Klipp, bei dem sie grüne Politik vermisst; mehr noch, er stellt grüne Grundsätze der vergangenen Jahre offensiv infrage, etwa mit seinem Nein zum Abriss des Staudenhofs. Und der wegen steten Zoffs aus der Fraktion ausgeschlossene Stadtverordnete Andreas Menzel tritt nun mit seiner eigenen Unabhängigen Wählergemeinschaft im Wahlkreis Innenstadt/Groß Glienicke an.

Die FDP, die 2008 noch 4,6 Prozent erhielt, ist nicht nur vom Bundestrend gestraft. Auch bei den Liberalen herrscht Zwietracht. Schwer zusetzen könnte der FDP zudem die harte Konkurrenz im bürgerlichen Lager. Das Bürgerbündnis – zuletzt 3,3 Prozent – wirbt mit einer massiven Plakatkampagne und Persönlichkeiten wie etwa dem Architekten und Potsdam-Urgestein Christian Wendland oder der früheren Ortsvorsteherin von Neu Fahrland, Carmen Klockow, die sich mit der CDU überworfen hatte, um Stimmen. Den Wahlkampf organisiert vor allem der Babelsberger Bauträger Wolfhard Kirsch, der 2008 die SPD im Streit um einen freien Uferweg am Griebnitzsee verlassen hatte.

Wiederum Abtrünnige – dieses Mal aus der CDU – haben die Potsdamer Demokraten ins Leben gerufen, die mit prominenten Kandidaten wie Susann Prinzessin von Preußen oder dem honorigen Ex-Polizeichef Peter Schultheiß um Stimmen im bürgerlichen Lager buhlen. Unklar ist auch, inwieweit die bislang in Potsdams Kommunalpolitik kaum in Erscheinung getretene Alternative für Deutschland vom Bundestrend der Partei zur Europawahl – ein Wählerpotenzial von sechs Prozent – profitieren kann.

Auf der anderen Seite des politischen Spektrums kann sich auch Die Andere – zuletzt fünf Prozent – nicht sicher sein, ob die Wählergruppe durch besagten Linksdrall der Linken unter Parteichef Krämer Stimmen verliert. Dass in dieser unübersichtlichen Lage auch noch Brandenburgs Vereinigte Bürgerbewegungen antreten, ist da fast schon Nebensache. Zur Erinnerung: Bei Kommunalwahlen gibt es keine Fünf-Prozent-Hürde. Schon jetzt sind acht Fraktionen in der Stadtverordnetenversammlung vertreten. Angesichts von bis zu elf mehr oder minder aussichtsreichen Mannschaften sieht es ganz danach aus, dass das neue Parlament wohl noch bunter, noch bewegter wird. Eben wie Potsdam. (mit SCH)

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