Landeshauptstadt: Subtile Gefahr erkennen
„Wildwuchs“-Streetworker offerieren Seminare zur Sensibilisierung im Kampf gegen Rechtsextremismus
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Die rechte Szene verändert ihr Gesicht, es wird immer schwerer, Tendenzen dieser Art zu erkennen. Darauf weisen die Mitarbeiter des „Wildwuchs“-Streetwork-Projekts hin. Dass sich eine intensive, wenngleich zeitweise theorielastige Beschäftigung mit dieser Thematik lohnt, zeige das Feedback auf eine Initiative, die vom Bündnis „Potsdam bekennt Farbe“ ausgeht. In Zusammenarbeit mit den Streetworkern wird Potsdams Schulen ein Seminar mit dem Diplomsozialarbeiter Gregor Voehse, jahrelang bei „Wildwuchs“ tätig, angeboten.
Mittlerweile hat er an sechs Schulen sowie vor 20 Potsdamer Polizisten den Vortrag gehalten, in dem es um das Erkennen neuer Argumentationsmuster und Erscheinungsbilder Rechter geht. „Die Resonanz der Teilnehmer war durchweg positiv“, so seine Erfahrung. Gern würde er die Vortragsreihe fortsetzen. Zwar sei Potsdam kein Zentrum rechtsradikaler Auswüchse, allerdings gäbe es auch hier einen harten Kern von grob geschätzten 50 Mitgliedern plus einer größeren Schar von Mitläufern und Sympathisanten. „Genau lässt sich das nicht beziffern, da die Mitglieder intern organisiert sind und sich ihr äußeres Erscheinungsbild kaum noch von der Masse abhebt“, so Voehse. Im Gegenteil, sagt auch „Wildwuchs“-Kollegein Sabine Hildebrandt: Ihr Auftreten ähnele immer mehr dem der Linken, man trifft sich maskiert zu kurzfristig angesagten Guerilla-Aktionen und hört Hip-Hop, während die Argumentation nach wie vor auf rechtem Gedankengut basiere. Dabei gibt sich der harte Kern intellektuell, man organisiert Lesezirkel und Schulungen, in denen die theoretische Grundlage verbreitet wird. Diese scheint auf den ersten Blick oft harmlos und nachvollziehbar. Die Gefahr liege in der subtilen, weichen Botschaft, sagen die Sozialarbeiter. „Demokratie bringt den Volkstod“ sei so eine Kampagne, die vermitteln wolle, dass durch Zuwanderung die deutsche Identität gefährdet sei. „Die Rechten sind nicht mehr prollig“, warnt Voehse.
Gerade von den liberalen Mitgliedern gehe eine große Gefahr aus, da sie leichter Zugang zu den Kindern und Jugendlichen finden. „Kontakt passiert auf der Straße, in der Nachbarschaft, vor allem aber im schulischen Umfeld. Da werden CDs verteilt und Fußballspiele organisiert.“ Internetportale unterfütterten die Aktivitäten und sorgten für ein Gemeinschaftsgefühl. Umso wichtiger sei es, diese Einflüsse und Strömungen rechtzeitig zu erkennen, um entgegenzusteuern. Dass dies möglich ist, wenn es gelingt, ein Vertrauensverhältnis zu den Jugendlichen aufzubauen, haben die Streetworker immer wieder erfahren. An erster Stelle stehe aber der Schritt der Sensibilisierung, der mit dem Seminarangebot unterstützt wird. Erst dann könnten Lehrer und Sozialarbeiter tätig werden. „Ich würde es deshalb sehr begrüßen, wenn die Schulsozialarbeiter an den Schulen bleiben und nicht in die Jugendklubs ausgelagert werden, wie die Stadt es vorschlägt“, sagt Voehse. Steffi Pyanoe
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