Landeshauptstadt: Täglich mindestens ein Opfer
Aktionstag gegen Gewalt an Frauen: Neue Broschüren / Probleme mit Mediation
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Statistisch gibt es in Potsdam jeden Tag mindestens ein Opfer: In 381 Fällen von häuslicher Gewalt ist die Polizei 2011 gerufen worden – gezählt bis einschließlich Oktober. 2010 waren es insgesamt 382 Fälle, im Jahr davor 358. Auch wenn das Geschlecht der Betroffenen nicht statistisch erfasst wird – es sind mehrheitlich Frauen, wie Polizeisprecherin Katrin Laurisch den PNN bestätigte. Am heutigen Freitag wird weltweit der Aktionstag gegen Gewalt an Frauen begangen.
Ein Anlaufpunkt für betroffene Frauen in Potsdam ist die Beratungsstelle des Autonomen Frauenzentrums in der Nansenstraße 5. 168 Frauen haben sich bislang in diesem Jahr dorthin gewendet. 90 Prozent von ihnen haben Gewalterfahrungen – aktuelle oder länger zurückliegende, wie Mitarbeiterin Lydia Sandrock erklärt: „Das große Problem ist ja, dass Frauen gar nicht wissen, was ihre Rechte sind.“
Deshalb hat sie jetzt Flyer entwickelt, mit denen man sich in komprimierter Form zu den Themen Vergewaltigung, sexueller Missbrauch, sexuelle Belästigung und Stalking informieren kann. In den Kurzbroschüren, die im Internet abrufbar sind, sind praktische Tipps und Kontaktadressen ebenso enthalten wie rechtliche Hintergründe oder Fakten zum Vorgehen der Täter, die ihr Handeln oft langfristig planen. „Viele Frauen denken nach einem Übergriff, das wäre einfach nur passiert“, berichtet Sandrock aus dem Beratungsalltag. Die Broschüren richten sich nicht nur an Betroffene, sondern auch Freunde, Bekannte oder Angehörige, die wegen eines Verdachts in Sorge sind.
In Potsdam sind in diesem Jahr nach Polizeiangaben zehn Fälle von sexueller Nötigung bekannt geworden, Vergewaltigungen registrierte die Polizei 2011 bislang nicht. Im Vorjahr waren es 19 Fälle sexueller Nötigung und vier Vergewaltigungen. Die Zusammenarbeit mit der Polizei, aber auch mit Ärzten, dem Jugendamt oder Kitamitarbeitern, die sich bei einem Missbrauchsverdacht ans Frauenhaus wenden, funktioniere grundsätzlich gut, betont Lydia Sandrock.
Aber es gibt auch Probleme: So komme es immer wieder vor, dass das Jugendamt bei Frauen, die Gewalt erfahren haben, eine Mediation vorschlägt, um den Umgang für gemeinsame Kinder zu regeln. Laut Sandrock ist das Zusammentreffen mit dem Ex-Partner für die Frauen aber eine enorme psychische Belastung. „Sie sind sehr aufgeregt, haben Angst“, sagt sie. Die Männer dagegen würden oft betont souverän auftreten – zum Nachteil der Frau. Sandrock hofft nun auf die Umsetzung eines Europaratsübereinkommens zum Schutz von Frauen vor Gewalt, das die Bundesregierung im Mai 2011 unterzeichnete. Darin sei festgelegt, dass Frauen nach Gewalt nicht zur Mediation gezwungen werden dürfen.
Infoflyer im Internet auf www.frauenzentrum-potsdam.de unter dem Stichwort „Download Materialien“
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