Landeshauptstadt: Tanz mit Krisen und Affären
Trennungsgeld, Toll Collect, Chipfabrik, EU-Streit – der 4. Ball der Wirtschaft geriet äußerst politisch, aber dennoch erfolgreich
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Trennungsgeld, Toll Collect, Chipfabrik, EU-Streit – der 4. Ball der Wirtschaft geriet äußerst politisch, aber dennoch erfolgreich Von Sabine Schicketanz Wer Vabanque spielt, riskiert alles – freiwillig. Wer Vabanque spielen muss, befindet sich in einer misslichen Lage. So wie Barbara Richstein. Richtig machen kann Brandenburgs Justizministerin derzeit wenig. Wo sie auch hinkommt, die Trennungsgeldaffäre ist schon da. Das galt auch für den 4. Ball der Wirtschaft, den am Samstagabend rund 400 Gäste unter dem Titel „Europa wächst - Brandenburg ist mittendrin“ im Potsdamer Dorint Hotel feierten – unter ihnen Barbara Richstein: „Das ist eben ein Vabanque-Spiel. Entweder es heißt, sie geht nicht hin, weil es so dramatisch ist, oder sie geht hin, obwohl es so dramatisch ist.“ Die Justizministerin entschied sich für das „Obwohl“ und lag damit auf einer Linie mit Manfred Stolpe, dem ehemaligen Brandenburger Regierungschef. Denn was für Richstein Trennungsgeld, ist für ihn Toll Collect. „Wir haben heute Nachmittag verhandelt, jetzt wird sortiert und morgen geht es weiter“, sagte Stolpe, der sich ansonsten ungewohnt schweigsam, dafür aber sehr tanzlustig zeigte. Dass ein schwungvoller Walzer ungeahnte Kräfte freisetzen kann, scheint für Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns – hier ließe sich zu Trennungsgeld und Toll Collect die Chipfabrik hinzufügen – ausgemachte Sache zu sein. „In schwerer Zeit kann man sich an einem Abend wie heute zur Problemlösung verabreden“, sagte er. Aufs Feiern solle man aber trotz allem nicht verzichten, „sonst steht man das doch nicht durch“. Allerdings musste Junghanns eingestehen, schon viele Verabredungen getroffen zu haben an diesem Ballabend. Angesichts der Anzahl der Probleme, die sich daran knüpfen mögen, kein positives Zeichen – andererseits aber doch. Denn: „ Politiker sind nicht nur Sender, sondern auch Empfänger“, meinte Richstein. Und wo mache sich ein Plausch mit Bundesminister, Ministerpräsident oder Landesminister leichter als beim gemeinsamen Schwoofen? Zumal sich das Publikum offensichtlich wohl fühlte. Es sei ein „ehrlicher Ball“, so ein Stammgast, kaum einmal war die Tanzfläche nicht voll, und das Essen, lobte Barbara Richstein, sei besser als am Freitagabend beim Berliner Presseball im noblen Ritz-Carlton. Selbst eine opulente Benefiztombola konnte Ball-Organisator Bernd Schenke für die Veranstalter – Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer und Wirtschafts-Presse-Forum – zusammenstellen. „Das war das Schwierigste am ganzen Ball“, gestand er. Doch es lohnte sich: 5000 Euro ergab der Losverkauf, 500 Euro legte das Gastgeber-Trio dazu. Den Scheck bekam Simona Koß, sie leitet am Oberstufenzentrum in Märkisch-Oderland das Projekt „Integrative Erstausbildung sozial benachteiligter deutscher und polnischer Jugendlicher in Baugewerken“. Deutsch-polnische Beziehungen pflegte am Rande des Ballgeschehens auch Ministerpräsident Matthias Platzeck. Spontan konferierte er bei Rotwein und Bier in einem Tagungsraum eine Stunde lang mit den aus Polen angereisten Marschällen, stellvertretenden Wojewoden, Unternehmern und Botschaftsrat Andrzej Wyrfel. Man habe beschlossen, sich von den „leichten Irritationen“ – es gibt Streit um die Stimmgewichtung in der neuen Europäischen Verfassung, bei der Polen und Spanien ganz anders wollen als Deutschland und Frankreich – nicht „irre machen zu lassen“, so Platzeck. Der „freundschaftliche Kontakt“ erlaube Gespräche, die „über das Protokoll hinausgehen“. Damit es ein Vabanque-Spiel gar nicht erst geben muss.
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