
© Andreas Klaer
Fünf Inder in Potsdam: Taxi nach Sanssouci
Fünf indische Geschäftsmänner ließen sich mit dem Taxi durch Europa fahren. Für die Preußen-Fans stoppte Bernd Meyn auch in Potsdam
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Potsdam/Hamburg - Anderthalb Stunden. Mehr Zeit blieb ihnen nicht für Potsdam. Mehr bleibt keinem, der in sieben Tagen durch Europa reisen will. Auch nicht, wenn er mit dem Taxi fährt. Mehr als eine Audioguide-Führung durch Schloss Sanssouci haben die fünf Inder auf ihrer Blitz-Reise durch Europa nicht geschafft, dann ging es schon weiter nach Berlin.
Eigentlich lag Potsdam gar nicht auf ihrer Route – hätte Bernd Meyn nicht spontan einen Zwischenstopp in Brandenburgs Landeshauptstadt vorgeschlagen. Für den Hamburger Taxifahrer war es wohl die Tour seines Lebens: Nachdem er die Inder Mitte August von Hamburg nach Hannover gefahren hatte, baten sie ihn, ihnen Europa zu zeigen – er sagte zu und wurde für sieben Tage nicht nur ihr Fahrer, sondern auch ihr Reiseführer.
„Ich hatte das Gefühl, die fünf haben Interesse an Preußen, vor allem an Bismarck und Friedrich dem Großen, und da dachte ich, eines der wichtigsten Schlösser Deutschlands wäre ein schöner Einstieg für unsere Reise durch die historischen Städte Europas“, sagt der Hamburger Taxifahrer.
Er selbst hat Sanssouci vor Jahren schon einmal gesehen und nutzte die anderthalb Stunden, um nach einer Postkarte für seine Tochter zu suchen. Aus jeder Stadt der Reise hat er der Achtjährigen geschrieben: sieben Tage, Berlin, Prag, Budapest, Wien, Regensburg und Brüssel.
Gelohnt hat es sich für Meyn, mit den Indern hatte er einen Festpreis von 3500 Euro vereinbart. „500 Euro am Tag, das verdiene ich im Stadtverkehr auf keinen Fall“, sagt Bernd Meyn. Auch die Hotelübernachtungen haben seine Fahrgäste übernommen, selbst zum Essen sei er meist eingeladen worden. „Das waren alles kleiner Unternehmer, einer hat einen Blumenladen – die sind zwar wohlhabend, aber nicht superreich.“
Eigentlich waren die fünf beruflich in Deutschland – als Delegation der indischen Landwirtschaftkammer trafen sie sich an der Universität Hannover mit Wissenschaftlern. Meyn hatte sie von Hamburg dorthin gebracht, schon dabei waren sie mit dem Angebot herausgerückt – völlig überraschend für Meyn. Der frühere Geschichtsstudent fährt seit 23 Jahren Taxi, seit acht Jahren ist er selbstständig. Aber ein Angebot wie das der Inder hat er noch nie bekommen. Die längsten Touren waren Fahrten von Hamburg nach Kopenhagen oder Holland. Gezögert hat der 48-Jährige trotzdem nicht, seine Lebensgefährtin ist selbst viel gereist und unterstützte ihn.
Jetzt würde Meyn gerne die Einladung seiner Fahrgäste aus dem nordindischen Meghalaya annehmen und sie dort zusammen mit seiner Familie besuchen – sobald er sich den Flug leisten kann. Mit der Kommunikation jedenfalls hatte er kein Problem, nicht nur seine Fahrgäste konnten sehr gut Englisch, sondern auch Meyn selbst. „Das fällt mir einfach leicht, außerdem mache ich auch in Hamburg oft Stadtführungen mit Fahrgästen.“
Die Inder hätten sich vor allem über die vielen Windräder in Deutschland gewundert, über die breiten Fuß- und Radwege – und die gute Luft. Berlin war ihnen eigentlich zu groß, alle fünf kommen aus einer Kleinstadt. Dresden, wo Meyn mit seinem Taxi ebenfalls einen kurzen Stopp eingelegt hat, hätten sie hingegen perfekt gefunden. Am Ende bereut Meyn nur eine Sache: „Wir hätten nach dem Besuch in Sanssouci noch etwas am Wannsee essen sollen, da wäre es bestimmt schöner gewesen als in Berlin.“ Ariane Lemme
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