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Landeshauptstadt: Terrorsymbol oder Bronzestatue?

Streit ums Lenindenkmal, nächste Runde: Niekisch (CDU) fordert Rücktritt von Stadtkonservator Kalesse

„Nicht schon wieder!“ So reagierte der Investor Dirk Onnen gestern auf die Nachricht, dass der Streit um das von ihm eingelagerte und einst an der Hegelallee stehende Lenindenkmal in die nächste Runde geht. Was ist passiert? Potsdams Stadtkonservator Andreas Kalesse hatte öffentlich geäußert, er könne sich vorstellen, dass der Lenin wieder an die Hegelallee zurückkehrt. Diese Position wird von der Potsdamer CDU vehement attackiert: Als „nicht hinnehmbar“ wurde sie von Eberhard Kapuste im Kulturausschuss am Dienstagabend in einer persönlichen Erklärung gegeißelt. Gestern forderte der CDU-Landtagsabgeordnete Wieland Niekisch sogar den Rücktritt des Stadtkonservators. „Lenin“, so Niekisch, „war gemeinsam mit seinem Schergen Dzerschinski einer der ersten politischen Mörder des 20. Jahrhunderts.“ Die „gewachsene Sensibilität gegen politischen Extremismus und daraus resultierender Gewalttaten“ ist dem Potsdamer CDU-Vorsitzenden zufolge „auch gegenüber falschen Vorbildern, Denkmälern und Personen angebracht“, die „in früheren Jahrzehnten unendliches Leid über zehntausende Menschen durch Willkür, Verhaftungen, Gewalt und Mord“ gebracht haben. Inakzeptabel seien Niekisch zufolge „halbqualifizierte Finessen zum Denkmalstatus des Ensembles“ um die Leninstatue von 1987. Schon die Jahreszahl zeige den Denkmalswert. Es sei der eines Systems, dessen Ikone Lenin gewesen sei. Es ist bereits ein Skandal, so Niekisch, dass die Bronzestatue noch Denkmalstatus habe.

In der Demokratie „darf man seine Meinung sagen“, so Kalesse gestern. Persönlich „als ich, Andreas Kalesse“ halte er es für sinnvoll, wenn der Lenin wieder an seine ursprüngliche Stelle gestellt würde – wenn er denn wieder zurückkomme. Derzeit könne man sich über die Wirkung der Statue im Stadtbild gar nicht unterhalten, „mangels Masse“. Die Statue des Gründers der ehemaligen Sowjetunion fehle und wann sie zurückkomme sei „ein Phantom-Termin“.

Investor Onnen erklärte gestern „nicht zum ersten Mal“, dass er die Statue eingelagert habe, da sie auf seiner Baustelle drohte, gestohlen zu werden. Er habe das Werner-Alfred-Bad saniert, nun möchte er das 1880 als Ballsaal gebaute ehemalige russische Casino, vor dem der Lenin stand, für eine Wohnnutzung umbauen. Das dauere noch ein bis eineinhalb Jahre, dann werde er sich an die Stadt und den Denkmalschutz wenden „und fragen, wo er hin soll“, so Onnen.

Unter Schutz gestellt ist nicht Lenin oder eine Ideologie, „sondern eine Bronzestatue“, so Kalesse weiter. Diese habe die DDR unter Schutz gestellt. Die Denkmalschutzliste der DDR sei nach der Wende übernommen worden. Seit einer von der CDU betriebenen Novelle des Denkmalschutzgesetzes sei das Landesamt für Denkmalschutz für die Unterschutzstellung von Denkmalen zuständig. „Ich habe damit gar nichts zu tun“, so Kalesse. Nur weil er sich persönlich für Lenins Rückkehr ausgesprochen habe, „muss der Kopf jetzt rollen“ und versuche die CDU ihn „ins siedende Öl“ zu werfen. Kalesse begründete seine persönliche Meinung mit dem Umstand, dass es sonst kein Zeugnis der sowjetischen Besatzungszeit in Potsdam gebe, außer die KGB-Zellen in der heutigen Gedenkstätte „Lindenstraße 54“ und im ehemaligen Gefängnis des einstigen sowjetischen Geheimdienstes in der Leistikowstraße. Es gebe nun einmal „unbequeme Denkmale“, ähnlich der Werke des nationalsozialistischen Künstlers Arno Breker vor dem Berliner Olympiastadion. Er bejahte, dass man diese aus zweifelhaften ideologischen Motiven geschaffenen Denkmäler nicht schleifen dürfe. Kalesse vermutet, dass sich ihm gegenüber persönlicher Hass entlädt, weil er sich gegen die Denkmalschutznovelle ausgesprochen habe. Es habe sich um eine „Entmündigung der Kommunen“ gehandelt. Nun solle eine „persönliche Rechnung“ beglichen werden.

Niekisch weist dies zurück. Kalesse sei ein „unbequemer Partner“ gewesen, aber dafür werde man in der Demokratie nicht bestraft. Vielmehr gehe es ihm darum, dass man in der Leninstatue nicht einfach nur eine Statue sehen könne: „Das ist Haarspalterei“. Symbol und Statue seien nicht trennbar. Als Saddam Hussein in Bagdad vom Sockel gestoßen worden ist, hätten seine Kritiker den Diktator gemeint und nicht eine Statue. „Es gibt nichts Stärkeres in der Politik als Symbole“, so Niekisch. Daher gehöre Lenin nicht wieder aufgestellt, sondern ins Museum.

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