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Weite Perspektive. Absolventen der geplanten Potsdamer Rabbiner-Schule können weltweit in jüdischen Gemeinden arbeiten.

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Rabbiner von der Universität Potsdam sollen in Zukunft in den jüdischen Gemeinden ganz Europas dienen

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Die Verankerung der Jüdischen Theologie an der Philosophischen Fakultät der Universität Potsdam ist einen wichtigen Schritt weiter gekommen. Der Fakultätsrat der Philosophischen Fakultät der Universität Potsdam hat am Mittwoch die Pläne der Hochschule für die deutschlandweit einmalige Rabbiner-Schule mit Wohlwollen zur Kenntnis genommen. Zuvor hatte bereits der Uni-Senat dem Vorhaben zugestimmt. Wenn nun die noch offenen Finanzierungsfragen mit dem Land geklärt werden, könnte bereits ab Wintersemester 2013 an der Potsdamer Uni ein grundständiges Theologiestudium für Rabbiner angeboten werden.

Für Uni-Präsident Oliver Günther ist die Institutionalisierung der Jüdischen Theologie an der Hochschule eine Aufgabe von enormer gesellschaftspolitischer Bedeutung. „70 Jahre nach dem Holocaust wäre das in Deutschland ein sehr großer Schritt“, sagte er. „Dies ist für uns eine historische Chance, die aussichtsreiche Entwicklungsmöglichkeiten bietet.“ Allerdings stellte Günther wiederholt auch klar, dass das Vorhaben nur teilweise mit eigenen Mitteln der Hochschule zu bewältigen sei, ohne zusätzliche Finanzierung durch Bund und Land sei die neue Schule nicht zu verwirklichen.

Eine grundständige theologische Ausbildung für Rabbiner gab es bis heute an keiner deutschen Universität. Forderungen nach einer eigenständigen Fakultät gab es bereits im 19. Jahrhundert, doch sie wurden in Deutschland nie erfüllt. Nun hat das Votum des deutschen Wissenschaftsrats von 2010 um die Gleichberechtigung des Judentums mit den christlichen Kirchen und dem Islam neue Voraussetzungen geschaffen. Mit der Schule für Jüdische Theologie betritt das Land Brandenburg wie auch die Potsdamer Uni Neuland. Für die Berufung konfessionell gebundener Professoren muss das Landeshochschulgesetz geändert werden, da die Dozenten jüdischen Glaubens sein müssen. Auch für die Uni Potsdam ist das eine neue Situation, ein konfessionsgebundes Fach gab es hier bislang nicht.

Die bereits bestehenden Jüdischen Studien der Universität betrachten vornehmlich die säkulare Seite des Judentums. Dieser Außensicht will die Hochschule nun durch die Rabbinerausbildung eine Innenansicht hinzufügen. „Wir sehen das als Bereicherung“, so Günther. Auch gehe es um eine Akademisierung der theologischen Ausbildung, wie der Dekan der Philosophischen Fakultät , Johann Ev. Hafner sagte. „Mit einer ,Schule für Jüdische Theologie‘ würde die Fakultät vorhandene Stärken weiter ausbauen und über ein Alleinstellungsmerkmal, das auch international sichtbar ist, verfügen“, so Hafner. An der Philosophischen Fakultät würden nun notwendige Beschlüsse vorbereitet. Mit ersten Ergebnissen dazu rechnet man im November, spätestens im Dezember. Als eine erste Maßnahme habe der Fakultätsrat nun eine Studienkommission zur Erarbeitung der Studienordnung für den Bachelorstudiengang Rabbinische Studien eingesetzt.

Im Kern sieht das Vorhaben der Uni nun eine zweigleisige Struktur vor. Zum einen soll ein „Kolleg für interreligiöse Studien“ als zentrale wissenschaftliche Einrichtung an der Universität geschaffen werden. Zum anderen soll eine „Schule für Jüdische Theologie“ innerhalb der Philosophischen Fakultät gegründet werden. Das Kolleg soll als Dach über der Rabbinerschule und den säkular ausgerichteten Jüdischen Studien entstehen, anstelle einer eigenständigen Fakultät. Für eine eigenständige Fakultät sei die vorgesehene Rabbinerausbildung – 20 bis 30 Rabbiner, plus mehrere hundert Studierende aus dem Nebenfach – nicht umfangreich genug, hieß es von der Uni.

Das Kolleg soll für Dozenten aller Fakultäten offen stehen, also beispielsweise auch für einen Physiker, der sich mit theologischen Fragen beschäftigt. In Potsdam sollen Rabbiner der liberalen und konservativen Richtung ausgebildet werden, der orthodoxe Zweig werde von anderen Institutionen – etwa der Lauder Foundation in Berlin – gelehrt. Das Lehrangebot werde darüber hinaus auch für andere Studiengänge geöffnet sein: „Idealerweise soll in der Schule das Spektrum der geisteswissenschaftlichen Disziplinen durch sechs Professuren repräsentiert sein.“

Die Rabbiner aus Potsdam würden zum einen an über 100 Synagogen in Deutschland Arbeitsstellen finden, zum anderen aber auch für ganz Europa ausgebildet. Neben einer Schule in London sei das Potsdamer Vorhaben in Europa alleinstehend. Attraktiv sei das Rabbiner-Studium in Potsdam nicht zuletzt wegen der Gebührenfreiheit. Rabbiner werden in Potsdam bereits seit zehn Jahren am Abraham-Geiger-Kolleg (s. Text unten) ausgebildet, das in die nun geplante universitäre theologische Ausbildung mit einbezogen werden soll.

Als Grundvoraussetzung für die Einrichtung einer „Schule für Jüdische Theologie“ innerhalb der Philosophischen Fakultät sehen die Mitglieder der Fakultät eine verbindliche und vor allem auch langfristige Zusage des Landes Brandenburg hinsichtlich der erforderlichen Stellen, Finanzmittel und sonstigen Ressourcen. Die Landtagsfraktionen hatten nach anfänglicher Unstimmigkeit zur Finanzierung zusätzlicher Professuren angekündigt, einen Änderungsantrag für den Haushalt 2013 einzubringen, damit die Universität für zwei zusätzliche Stellen Planungsicherheit erhält. An der Universität geht man allerdings davon aus, dass für die konfessionell gebundene Ausbildung jüdischer Theologen insgesamt sechs Professuren benötigt werden, von denen drei durch das Land finanziert werden müssten.

Ob zwei oder drei zusätzliche Professuren durch das Land finanziert werden, wird nun Verhandlungssache sein. Nicht zu verhandeln ist allerdings der Bedarf an Professuren für ein grundständiges theologisches Studium. Denn den legen laut Verfassung die jeweiligen Religionsgemeinschaften selbst fest. Auch das ist ein Novum für die hiesige Landes- und Hochschulpolitik.

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