POSITION: Thesenverbrämt
„Was im reichen Potsdam nicht glückte, ist der Stadt Brandenburg gelungen“ Von Friederike Sehmsdorf
Stand:
Das von den Vorsitzenden des Kunsthauses und dem künstlerischen Leiter des BKV e.V der beiden Potsdamer Kunstvereine formulierte Thesenpapier ist insofern löblich, als es eine Diskussion anregt, die durchaus angebracht ist: Wie will sich die Landeshauptstadt Potsdam bezüglich ihrer speziellen Situation als kleine Nachbarschaft der Metropole Berlin und als Hauptstadt eines Flächenlandes mit einer sehr disparaten Kulturlandschaft in der zeitgenössischen Kunst aufstellen? Die Tatsache, dass es in Potsdam an einem ausgewiesenen öffentlichen Standort für Gegenwartskunst mangelt, liegt auf der Hand. Das müsste nicht sein, hätte man eine mögliche Kunsthalle in der Schiffbauergasse, das heutige „Waschhaus“, nicht vonseiten der Stadt von Anfang an sowohl personell als auch strukturell und finanziell als lebensunfähig konzipiert. Ob diese „Ursünde“ behoben werden kann, ist eine offene Frage.
Was aber in der relativ wohlhabenden Stadt Potsdam mit all ihrem Know-how nicht geglückt ist, ist der armen Stadt Brandenburg mit der „Kunsthalle Brennabor“ gelungen. Deren Ausstellungsprofil strahlt inzwischen weit über die Havelstadt hinaus, weil ein paar Initiatoren eine Arbeit mit weniger raumgreifenden und vernebelten Ansprüchen, aber soliderem Blick auf das eigene finanzielle und auch intellektuelle Vermögen angepackt haben. Wieder einmal zeigt es sich: Geld ist nicht alles!
Das Papier von Gerrit Gohlke und Wilhelm Neufeldt ist eine etwas verschwurbelte Argumentation, die auf ein Einziges herausläuft: Beide Vereine wollen mehr Geld für ihre Arbeit. Beide Vereine berufen sich auf das bürgerliche Engagement und auf Potsdam als eine kulturelle Bürgerstadt. Das ist Potsdam historisch gesehen nicht. Ein selbstbewusstes, wohlhabendes und am Gemeinwohl interessiertes Bürgertum, welches sich mit der Stadt identifizierte, zahlreich und großzügig stiftete, gab es hier immer nur in Ansätzen. Erst seit der Wende könnte diese Bürgerschaft entstehen.
Nur müssen sich beide Vereine die Frage gefallen lassen, warum sie es in fast zwanzigjähriger Tätigkeit nicht geschafft haben, mehr als insgesamt etwa 300 Mitglieder an sich zu binden. Davon sind ein großer Teil Künstler. Zum Vergleich: Alle Kunstvereine Deutschlands haben etwa 120 000 Mitglieder. Das kann nicht nur an Potsdams Bevölkerung liegen. Bekanntermaßen hat diese Stadt die höchste Akademikerquote deutschlandweit.
Vielleicht ist es das ewige Schielen nach der Berliner Kunst-Szene, in der viel heiße Luft in bestimmten Bereichen der „contemporary art“ produziert wird, und ein unausrottbar latentes Minderwertigkeitsgefühl der Macher, ihre Tiefenangst, als „provinziell“ abgetan zu werden, was die Sehnsucht nach einer vermeintlichen „globalen Kunstkommunikation“ artikuliert. Das aber lässt die Arbeit der Vereine stagnieren! Eine altes Sprichwort heißt „Der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler!“
Die Stadt finanziert die beiden Vereine bereits, sowohl personell als auch immer wieder projektbezogen. Aber warum – und diese Frage muss gestellt werden dürfen – sollen noch mehr der begrenzten öffentlichen Mittel dafür ausgegeben werden, dass in erster Linie in Berlin ansässige Künstler (Zitat: Zugriff auf die Berliner Künstler-Community) hier in Potsdam ein Podium bekommen. Der Brandenburgische Kunstverein e.V. wurde 1993 dezidiert mit dem Argument gegründet, brandenburgische Künstlerinnen und Künstler zu fördern. Von dieser ursprünglichen Idee ist indes nicht mehr viel geblieben. Stattdessen bekommen private Berliner Sammler raumgreifende Möglichkeiten gestellt. Einem durchaus versierten Beobachter vermittelt sich inzwischen eher der Eindruck, dass das Ausstellungsprofil des BKV e.V. den privaten Vorlieben und Connections der Vereinsspitzen entspricht, die eher den nächsten Karrieresprung in die „globale“ Berliner Szene im Hinterkopf haben. Mit nachhaltiger Entwicklung eines Vereins innerhalb der Potsdamer Bürgerschaft hat dies wenig zu tun. Meines Erachtens schadet diese Art der Profilierung der Brandenburger Künstlerschaft sogar. Nicht, dass ich falsch verstanden werde: Private Initiatoren und Institutionen sollen völlig frei sein in ihren konzeptionellen und finanziellen Entscheidungen – aber sie dürfen nicht ständig nach öffentlichen Geldern rufen.
Das sich artikulierende Selbstbewusstsein der Potsdamer Bürgerschaft in Bezug auf die Gegenwartskunst sollte sich nicht darauf beschränken, laut nach Mäzenen und öffentlichen Mitteln zu rufen (möglichst per Zeitung), sondern selbstbewusst und mäzenatisch – also mit eigenem Geld – die eigenen guten Ideen im Sinne der Künstler und für die Künste und letztlich für die Allgemeinheit verwirklichen. Dann zeigt sich innerer Reichtum auch äußerlich.
Apropos: Eine große Chance für die Potsdamer Mitte und damit auch für die kulturelle Bürgerstadt ist die ordentliche Ausstattung des Potsdam–Museums in Potsdams Mitte mit Personal und ausreichenden finanziellen Mitteln. Dann kann dieses Haus seinem öffentlichen Bildungsauftrag nachkommen, den Potsdamer Bürgern und den Besuchern auf spannende Weise die eigene kulturelle Identität dieser Stadt nahebringen und auch die Kunstgeschichte der Region bis zur Gegenwart präsentieren.
Die Verfasserin ist Kunst-und Kulturhistorikerin, hat 15 Jahre in der Berliner Kunst- und Museumslandschaft gearbeitet, bevor sie sich 2003 als Kunstvermittlerin und Galeristin selbstständig gemacht hat. Mit ihrem Beitrag antwortet sie auf das Thesenpapier „Stadt ohne Mitte“ von Gerrit Gohlke und Wilhelm Neufeldt, das am 27. März in den PNN erschienen ist.
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