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Wissen schon, wie man mit einem großen Messer umgeht: Pia Polzin, Jana Boger und Christopher Stege (v.l.) von der Coubertin-Schule bei der Zubereitung von Tortilla-Wraps. Mietkoch Marco Verleih schaut zu.

© Manfred Thomas

Landeshauptstadt: Tische decken ohne Muffelgesicht

Immer weniger Azubis im Hotel- und Gastrogewerbe. Eine Messe soll Lust machen auf die Servicebranche

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Naturgemäß müssen Acht- und Neuntklässler manchmal wohl etwas wortkarg sein. Naja, sie sind halt mit der Klasse hier, aber so eine Berufsausbildung könnte sie sich schon vorstellen, sagt dann doch ein Mädchen und rollt eine Tortilla aus. Zum Azubi-Tag des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands Brandenburg (Dehoga) im Dorint Hotel, bei dem am gestrigen Freitag für Berufe im Hotel- und Gaststättengewerbe geworben werden sollte, sind etwa 200 Schüler aus Potsdam und umliegenden Gemeinden gekommen, auch Pia Polzin, Jana Boger und Christopher Stege aus einer neunten Klasse der Potsdamer Pierre-de-Coubertin-Oberschule. Die drei üben sich jetzt in der Kalten Küche, erst langsam tauen sie auf. Christopher outet sich schließlich, er will Koch werden, hat auch schon ein Praktikum gemacht. Und die Mädels würden gern Restaurantfachfrau lernen.

Noch versteckt sich Jana hinter ihrem langen Pony und kichert. Dann greift sie zur Zange, legt weitere Hühnchenstücke auf die Tortilla, Christopher packt Gemüse drauf, Pia würzt. In ihren Bewegungen liegt schon etwas Routine, wenn Christopher den Wrap zusammenrollt und mit dem Chefmesser schräg zerteilt, sieht das ganz geschickt aus. Die Handgriffe haben sie in der Schulküche gelernt bei der Aktion „Schüler kochen für Schüler“. Seit diesem Schuljahr kochen sie unter Anleitung von Koch Marco Verleih.

Solche Bewerber haben gute Chancen auf eine Lehrstelle im Hotel- und Gaststättenbereich. Ohnehin gibt es mittlerweile zu wenige von ihnen. „Uns fehlen die Schulabgänger“, sagt Dieter Weide von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Potsdam. Etwa 550 Azubis erlernen derzeit einen Beruf im Gastro-Bereich in Potsdam und Umgebung, davon etwa 200 im ersten Lehrjahr. Offene Stellen findet man beispielsweise in der Lehrstellenbörse der IHK, manche können auch noch nach Schuljahresbeginn besetzt werden.

Für eine rechtzeitige Orientierung von Anfang an sollen solche Azubitage sorgen. Zum zweiten Mal hat der Dehoga gestern dazu eingeladen, über 20 Aussteller zeigten Interesse. „Das Event soll künftig an verschiedenen Standorten stattfinden“, sagt Olaf Lücke, Dehoga-Brandenburg-Geschäftsführer. Bereits im letzten Jahr habe sich der Erfolg in einem vermehrten Abschluss an Ausbildungsverträgen und vermittelten Praktika gezeigt, sagt Lücke.

Die Branche wolle dadurch aktiv auf den Fachkräftemangel reagieren und zeigen, dass diese Berufe jungen Menschen Abwechslung bieten, man weltweit arbeiten und relativ schnell Verantwortung übernehmen kann. „Schon mit 27 Jahren kann man Hoteldirektor sein“, gibt Lücke ein Beispiel. Dass es dennoch nicht genügend Bewerber gibt, mag daran liegen, dass es ein Knochenjob mit familienunfreundlichen Arbeitszeiten ist, sagt Gondra Wettley, Direktorin des Steigenberger Hotels und Vorsitzende der Fachgruppe Berufsbildung des Dehoga. Auch von den Bewerbern werde einiges abverlangt: „Ich sehe sofort, was jemand mitbringt, ob das was wird“, sagt sie. Schließlich sei eine Tätigkeit im Dienstleistungssektor keine, in der man mal eben zwischendurch die Bürotür schließen kann. „Man muss immer am Strahlen sein“, sagt Wettley.

Allerdings hat sie die Erfahrung gemacht, dass ein zäher Wille unter Umständen schlechte Schulnoten kompensieren kann. „Ein Muffelgesicht kriegt man nicht ausgetrieben, aber wenn jemand Feuer und Flamme ist, kriegen wir fast alles geregelt“, ist sie überzeugt.

Feuer und Flamme ist gestern vor allem Flambierweltmeister Mike Hasert, der eine kleine Vorführung seiner heißen Kunst gibt. Die Jugendlichen sind eher zurückhaltend. Sie sammeln Informationen bei namhaften Hotels der Region über Ausbildungsmöglichkeiten, die sich allerdings etwas haben einfallen lassen. So kann man bei der Pralinenherstellung zuschauen, das Eindecken einer festlichen Tafel üben und an der Saftbar fruchtige Drinks mixen. In Gruppen nehmen die Jugendlichen an einem sogenannten Zimmercheck teil: Dort muss ein Hotelzimmer auf korrekten Zimmerservice überprüft werden. Die Verbraucherzentrale Brandenburg offeriert eine Lebensmittel- und Einkaufsberatung, auch ein Gemüsemarkt berät zum Einkauf.

Zum Ausgleich für einen modernen Knigge-Kurs, der am Vormittag stattfindet und über allgemeine, immer noch gültige Verhaltensregeln aufgeklärt („das fängt mit einem vernünftigen Guten Tag sagen an“, so Gondra Wettley), läuft am Nachmittag eine HipHop-Vorführung der Leftfoot Rokkaz. „Der Spaßfaktor soll ja nicht zu kurz kommen“, sagt Lücke. Für die Berufe im Hotel- und Gaststättengewerbe und die Azubis wünscht er sich ganz allgemein mehr Anerkennung: „Die harte Arbeit wird oft unterschätzt“.

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