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Von Jana Haase: Toleranz und Sklavenhandel
Kolonialgeschichte ist in der HBPG-Dauerausstellung kein Thema: Migrantenvertreter kritisieren das
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Der Handel wurde erst über Bande richtig rentabel: Eisengeräte, Branntwein und Glasperlen schipperten unter brandenburgischer Flagge in die Kolonie Groß Friedrichsburg an der westafrikanischen Küste. Dort tauschten die Händler der Brandenburgisch-Afrikanischen Compagnie den wertlosen Tand bei Sklavenjägern gegen Afrikaner ein. Die zu hunderten im Schiffsbauch zusammengepferchten Menschen wurden in die Karibik transportiert, wo die Märker mit der Insel St. Thomas einen Handelsstützpunkt von den Dänen gepachtet hatten. Dort wurden die Sklaven verkauft und die Schiffe mit dem in der Heimat begehrten Zucker, mit Kakao oder Baumwolle beladen. Zwischen 300 und 400 Prozent Gewinn strich die Compagnie bei diesem „Dreieckshandel“ ein, geschätzte 30 000 Afrikaner wurden insgesamt verschleppt, schreibt der Kolonialhistoriker Ulrich van der Heyden in seinem Buch „Rote Adler an Afrikas Küste“.
Es handelt von einem Kapitel der brandenburgisch-preußischen Geschichte, das es bislang nicht in den offiziellen Kanon geschafft hat. Wohl auch, weil es so kurz währte: Im März 1682 war die Handelsgesellschaft im Beisein des Kurfürsten Friedrich Wilhelm in Berlin gegründet worden, 1711 löste Preußenkönig Friedrich I. die Gesellschaft auf, sechs Jahre später wurden auch die Kolonien verkauft. Die Ruinen der brandenburgischen Festungen im heutigen Ghana zählen zum Unesco-Weltkulturerbe. In der Dauerausstellung des Hauses der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte (HBPG) am Neuen Markt, die als „Reise durch 900 Jahre Landesgeschichte“ konzipiert ist, fehlt das Thema jedoch. Das kritisieren Migrantenvertreter jetzt scharf.
Von „Respektlosigkeit“ sprach Marianne Ballé Moudoumbou, Potsdamer Sprecherin der Migrantinnenorganisation Pan African Women’s Liberation Organisation (Pawlo), auf der Sitzung des Migrantenbeirats. Das Geschichtsmuseum biete ein Beispiel für die „Nichtsichtbarkeit“ von Menschen afrikanischer Abstammung. „Das Verschweigen ist eine der höchsten Stufen des Rassismus“, kritisierte die in Frankreich geborene Dolmetscherin. Der Migrantenbeirat will sich die Ausstellung demnächst beim Ortstermin ansehen. „Es ist überraschend, welches Vermögen besteht, unangenehme Teile der Geschichte auszublenden“, sagt Jens Klocksin, SPD-Fraktionschef in Kleinmachnow, Ex-Landtagsabgeordneter und – gemeinsam mit Ulrich van der Heyden – Mitinitiator der Projektgruppe „325 Jahre brandenburgische Landnahme in Westafrika“, die sich 2008 auch für die Aufnahme des Themas in die brandenburgischen Lehrpläne einsetzte. Denn die Kolonialbestrebungen sind ausgerechnet von einem Herrscher gefördert worden, „der heute ob seiner vermeintlichen Toleranz gefeiert wird“, betont Klocksin.
Der Sklavenhandel sei eine Voraussetzung dafür, dass „der Reichtum in den Schlössern und Parks von Potsdam körperliche Gestalt finden konnte“, sagt Jörg Kwapis vom Verein zur Förderung antimilitaristischer Traditionen. Er hält das Fehlen des Themas im Museum für „symptomatisch“: Wie bei anderen früheren Kolonialmächten werde die Versklavung ausgeblendet: „Das hätten die Profis vom HBPG nicht vergessen dürfen.“
Das HBPG verteidigte die Ausstellung gegen Kritik: „Das Thema ist nicht vergessen worden“, sagte HBPG-Sprecherin Antje Frank gestern den PNN. Der Kolonialismus sei ein „interessantes Thema“, aus Platzgründen habe man sich aber auf die „großen Handlungsstränge“ beschränkt: „Es gab viele Bereiche, die rein platzmäßig wegfallen mussten.“ Als Beispiele nannte Frank, die selbst einige Zeit in Ghana gelebt und die Ruinen der Kolonie besucht hat, die Industrialisierung und weite Teile des Nationalsozialismus.
Die Argumentation will Jens Klocksin nicht gelten lassen: „Historische Bedeutung ist keine Massefrage, sondern eine Qualitätsfrage.“ Brandenburg-Preußen sei das einzige deutsche Land, das in der frühen Kolonialgeschichte überhaupt eine Rolle gespielt hat, betonte er. „Da muss etwas geschehen“, findet auch Jörg Kwapis. Marianne Ballé Moudoumbou verwies darauf, dass 2011 von den Vereinten Nationen zum „Jahr der Menschen afrikanischer Abstammung“ ausgerufen wurde – ein passender Anlass, die Ausstellung zu erweitern, so die 44-Jährige.
Eine so kurzfristige Überarbeitung ist nicht möglich, erklärte Antje Frank vom HBPG. Sie verwies indes auf die anstehende Überarbeitung der Dauerschau 2013, zehn Jahre nach Eröffnung: „Wir stehen für Anregungen immer offen.“
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