zum Hauptinhalt
Düstere Aussichten: Bis Leichtathleten aus Potsdam wieder eine olympische Medaille gewinnen werden, wird es vermutlich noch Jahre dauern.

© A. Klaer

Niedergang der Leichtathletik in Potsdam: Top Anlagen, wenig Ertrag

Der Luftschiffhafen in Potsdam galt einst als Hochburg der deutschen Leichtathletik. Trotz nahezu perfekter Bedingungen lahmt die einst so populäre Sportart in nahezu allen Disziplinen. Gründe gibt es viele, Lösungen aber kaum.

Stand:

Potsdam - Die goldenen Jahre sind in Potsdam lange vorbei. Zumindest was die Leichtathletik betrifft. Es ist lange her, dass Leichtathleten vom Luftschiffhafen einen nationalen Meistertitel gewannen – von einer internationalen Medaille ganz zu schweigen. Während sich die Stadt endlich darauf besinnt, die sportlichen Helden ihrer Vergangenheit mit einem Walk of Fame zu ehren, sieht die Zukunft düster aus. Es dürfte in der olympischen Kernsportart über Jahre hinaus dauern, bis ein Potsdamer Leichtathlet eine olympische Medaille gewinnen wird. Schon die Teilnahme an den Spielen, an Welt- oder Europameisterschaften wäre ein Erfolg, den derzeit nur wenige für sich verbuchen: Einzig die Geher sorgen für einen Lichtblick.

Top Ausstattung, die Ausbeute ist aber beschämend

Dabei sind die Bedingungen am Bundesstützpunkt in der Zeppelinstraße so gut wie nie: zwei Stadien, eine Top-Leichtathletikhalle, ein neues Werferhaus, Krafträume, Physiotherapiepraxen, Internat und Schule und in der Umgebung mit reichlich Wald das perfekte natürliche Umfeld. Hinzu kommen allein für die Leichtathleten 14 Trainer. Gemessen an diesem gehobenen Standard ist die Ausbeute bei nationalen Meisterschaften mager – und verglichen mit früheren Erfolgen beschämend.

Herbert Wessel und Axel Richter gehören zu einer Generation, die die erfolgreiche Tradition der Potsdamer Leichtathletik mitbegründete. Als Zehnkämpfer zählten sie in den 1960- und 70-er Jahren zur nationalen und internationalen Spitze. Wessel wurde 1969 Vize-Europameister, nahm ein Jahr zuvor an den olympischen Spielen teil. Richter schaffte es auf 7930 Punkte beim Zehnkampf – eine Marke, die heute nur wenige deutsche Athleten in der Königsdisziplin erreichen. Zu seiner Zeit reichte es nicht für eine internationale Meisterschaft. Andere waren besser. Genau im internen Konkurrenzkampf sieht Richter auch das heutige Dilemma. „Es fehlen starke Trainingsgruppen, in den sich die Athleten gegenseitig antreiben“, sagt er. Die Erkenntnis ist allerdings nicht neu, daran krankt in Deutschland nicht nur die Leichtathletik. Trainingsgruppen mit acht, zehn oder mehr Athleten nennen Trainer paradisische Zustände. Ein Vergleich: In der kenianischen Läufer-Hochburg Iten treffen sich jeden Donnerstag bis zu 100 Läufer zu einem gemeinsamen Fahrtspiel.

Leichtathletik in Potsdam: Wenig Geld und geringe Zukunftsaussichten

Die Gründe für den Niedergang der Potsdamer Leichtathletik, genauso muss man es angesichts früherer Erfolge nennen, sind vielschichtig: Einstellung und Orientierung der Sportler, fehlende Gruppendynamik, Qualitäten der Trainer, wenig Geld, geringe Zukunftsaussichten – es ist ein bunter Mix, in dessen Sieb nur wenig Athleten tatsächlich hängen bleiben.

Eine sportliche Karriere mit olympischer Krönung ist längst nicht mehr der alleinige Traum sportbegeisterter Jugendlicher. Selbst wenn reichlich Talent vorhanden ist, bleibt ihnen nicht verborgen, dass die Weltspitze weit entfernt ist und bei immer wieder neuen Dopingenthüllungen der Wettbewerb ungleich scheint. In einer Gesellschaft, in der Werte wie Fairness, Ehrlichkeit und Chancengleichheit zumindest propagiert und verlangt werden, entwickelt sich der Spitzensport zum Anachronismus. Wer sich durch Tugenden wie Disziplin und Ehrgeiz auszeichnet, einen Leistungsanspruch und klare Ziele hat, überlegt sich heute sehr gut, ob er dies für den Sport investiert oder die berufliche Karriere. Zumal in einer Randsportart, zu der die Leichtathletik in Deutschland geworden ist, Erfolge nur kurze öffentliche Aufmerksamkeit genießen und kaum zu vermarkten sind.

Für DDR-Sportler eine Möglichkeit, ins Ausland zu reisen

Hinzu kommen Vorstellungen der jungen Athletengeneration, die mit der Herangehensweise von einst wenig zu tun haben: „Meine Ansprüche sind mit meinen Leistungen gestiegen“, sagt Herbert Wessel. Heute erlebe er junge Sportler mit hochtrabenden Ideen, aber geringer Leistungsbereitschaft. Viele Motive, ein erfolgreicher Sportler zu werden, haben ihre Gültigkeit verloren. Die Chance ins Ausland zu reisen, mit der etwa Axel Richter wie viele andere DDR-Sportler ihren Trainingseifer verbanden, wurde mit dem Mauerfall obsolet. Auslandssemester, Schüleraustausch, Au-pair-Jobs, Work and Travel, Sprachreisen oder schlichtweg Urlaub – die Möglichkeiten, die Welt zu entdecken, sind grenzenlos. Es gehört schon reichlich Leidenschaft und Überzeugung dazu, sich das Reiseticket durch hartes Training zu verdienen.

Der Fehler steckt aber auch im System. „Ich denke, dass die Übergabe vom Ausbildungs- in den Leistungsbereich nicht funktioniert“, sagt Wessel. „Ich habe meine Bedenken, dass Trainer ausreichend qualifiziert sind. Oben fehlt mir eine Trainerpersönlichkeit, die Athleten weiter zu Weltspitze führt. Auch wenn sie gut ausgebildet sind, fehlt ihnen die Erfahrung“, meint der einstige Zehnkämpfer. Die Situation der Potsdamer Leichtathletik scheint das zu belegen: Mit dem Ex-Geher Ronald Weigel und Diskus-Olympiasieger Jürgen Schult arbeiten zwei einstige Sportler-Persönlichkeiten als Bundestrainer im Luftschiffhafen – auffallend erfolgreich sind die Geher und Werfer des SC Potsdam.

Wenig Medaillen für Potsdam

Hinzu kommt ein Missstand, den Richter als einstiger Landestrainer gut kennt: „Trainer“, sagt er, „werden nicht nach ihren Fähigkeiten eingesetzt, sondern danach, wer sie bezahlt.“ So haben Lehrertrainer, Landes- und Bundestrainer verschiedene Arbeitgeber. Dann gibt es noch die Kategorie der „Mischfinanzierten“. Ob die Strukuren Sinn machen, sollte letztlich an Medaillen gemessen werden. Davon gab es in Potsdam zuletzt nicht viel.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })