zum Hauptinhalt

Homepage: Torten und Opfer „Sehsüchte“ zeigen 120 Filme aus 28 Ländern

Von Jan Kixmüller Was würden Sie tun, wenn ihre Ehefrau ihnen sagt, dass sie nicht mit der fransigen Lederjacke zur Arbeit gehen sollen. Und wenn sie ihnen dann noch gesteht, dass sie mit ihrem Freund vor ein paar Jahren eine Affäre hatte.

Stand:

Von Jan Kixmüller Was würden Sie tun, wenn ihre Ehefrau ihnen sagt, dass sie nicht mit der fransigen Lederjacke zur Arbeit gehen sollen. Und wenn sie ihnen dann noch gesteht, dass sie mit ihrem Freund vor ein paar Jahren eine Affäre hatte. Sicherlich eine blöde Situation. Wenn dann auch noch ein Atomkraftwerk in der nähren Umgebung kollabiert, ist der Tag endgültig gelaufen. Wenn es zu viel wird, reagiert der Mensch oft mit Übersprunghandlungen, Tätigkeiten die in der entsprechenden Situation keinen Sinn machen. Michael stellt sich vor den Spiegel und frisiert sich. Seine Frau Stacy reagiert auf das Unfassbare mit Verdrängung. Sie fragt Michael, ob er sie später nicht von der Arbeit abholen könne. Draußen tobt der Atomsturm. „Minutes to go“ von Lawrence Tooley ist einer von über 100 Filmen, die im Wettbewerb des internationalen Studentenfilmfestes „Sehsüchte“ vom 26. April bis 1. Mai im Thalia-Kino zu sehen sind. Stacy und Michael finden nicht mehr aus ihrem Appartement heraus. Aber immerhin schlüpft Michael kurz vor dem ultimativen Ende in ein Sakko, Stacy zuliebe. Das Programm für die „Sehsüchte“ steht nun fest. Insgesamt 120 Streifen von jungen Filmemachern aus 28 Ländern werden zu sehen sein, darunter sind 66 Spiel-, 20 Dokumentar-, 21 Animations- und 4 Experimentalfilme, hinzu kommen Filme für den Produzentenpreis. Erstmals wird auf dem traditionsreichen Festival in Babelsberg in diesem Jahr ein Kamerapreis vergeben. Preise im Gesamtwert von 28 500 Euro winken. Sie werden von Jurys vergeben, in denen namhafte Filmleute sitzen. In der Spielfilmjury wirken beispielsweise der Schauspieler Ulrich Matthes („Der Untergang“) und der Regisseur Benjamin Quabeck („Nichts bereuen“) mit. Die Partys finden in diesem Jahr in einer noch nicht näher benannten „Party-Villa“ statt. Bekannt sind die „Sehsüchte“ immer auch dafür, dass die unzähligen kurzen Filme aus allen Erdteilen in ihrer Gänze ein Bild von der Verschiedenartigkeit und Buntheit der Welt geben. Da wäre etwa der Muttertag in Havanna. In den Backstuben der Stadt werden schon seit Tagen Extraschichten geschoben, schließlich steht die halbe Stadt zum Muttertag für süße Torten an. Das obligatorische Geschenk für die Mütter, neben vielen anderen Geschenken, bis hin zu Waschmaschinen und anderen Haushaltsgeräten. Bettina Blümner und Rouven Rech haben für ihren 14-minütigen Dokumentarfilm „La vida dulce“ die Bäcker und die Schlangen in den Straßen der kubanischen Metropole beobachtet. Stundenlang haben zwei Männer für die Torte angestanden. Am Schluss tragen sie erleichtert die süßen Kuchen wie Trophäen durch die Stadt: „Das Warten ist ein Opfer, aber es lohnt sich.“ Außer Konkurrenz laufen in diesem Jahr die Filme des neuen Fokus. China, momentan sicherlich eines der Länder, die sich weltweit am stärksten im Umbruch befinden, verspricht dabei Außergewöhnliches. So etwa „Game Over“: eine Darmentleerung von absonderlichem Ausmaß. Ein Soldat mit Blähungen, Durchfall und was sich sonst noch so anstaut, dessen fast schon orgiastische Erleichterung auf einem Dixie-Klo schließlich das gesamte Universum in Mitleidenschaft zieht. Experimentelles aus dem Reich der Mitte. Das 100-jährige Jubiläum des chinesischen Kinos hat das Festival zum Anlass genommen, sich der jungen Avantgarde der dortigen Filmkunst anzunehmen. Experimentalfilme und digital animierte Kurzfilme dürften das hiesige Publikum verblüffen, ein Gangsterfilm repräsentiert den zeitgenössischen chinesischen Kinofilm. Bleibt noch die politisch motivierte Filmarbeit. Wie in den vergangenen Jahren beschäftigen sich viele junge Filmemacher mit der politischen Realität in ihrem Heimatland. So auch der Israeli Sam Spiegel in dem Kurzfilm „Road“. Irgendwo in der Wüste planiert ein israelischer Straßenplaner mit vier palästinensischen Arbeitern eine neue Straße. Bis die vier ihn ob der Ungerechtigkeiten der israelischen Siedlungspolitik vor ein improvisiertes Standgericht stellen. Eine Situation, die vor dem Hintergrund des Nahostkonfliktes kaum mit einem Happy Ende ausgehen kann. Das Programm im Internet: www.sehsuechte.de

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })