zum Hauptinhalt
Die vietnamesische Gemeinschaft in Potsdam feierte am Sonntag ihr Neujahrsfest im Bürgerhaus am Schlaatz. Löwentänze symbolisieren das Einfangen des Glücks für die Menschen.

© Andreas Klaer

Tradition in der dritten Generation: Potsdams vietnamesische Community feiert Neujahrsfest

Mit dem Tanz der Löwen, vielen Blumen und Chung-Kuchen: Rund 100 Vietnamesen baten im Bürgerhaus am Schlaatz um den Frühling.

Es geht bunt, laut und fröhlich zu am Sonntag im Bürgerhaus am Schlaatz. Die vietnamesische Community aus Potsdam feiert Tết Nguyên Đán, kurz Tết – eines der wichtigsten Feste für Vietnamesen. Es fällt auf den ersten Tag des Jahres nach dem Mondkalender. Etwa 100 Vietnamesen der ersten, zweiten und dritten Generation sind gekommen, um dieses neue Jahr zu begrüßen und den Frühling zu erbitten. Sie sind festlich gekleidet – viele Frauen in Rot, der Farbe, die Glück bringen soll.

Das Fest beginnt mit kräftigem Trommelschlagen und dem sogenannten Tanz der Löwen. Auch sie sollen Glück bringen. Dem folgt ein Frühlingstanz der Frauen. Sie tragen Blumen in der Hand und in Körben.

Wir aus der zweiten und auch schon dritten Generation sind in Deutschland angekommen.

Nguyen Hai Van, Sachbearbeiterin bei der Stadtverwaltung

Üblicherweise, so erzählt es Gastgeberin Hai Ninh Do, fahren die meisten zum Tết-Fest zu ihrer Familie nach Vietnam. Viele der 600 Vietnamesen, die in Potsdam leben, haben das nach drei Jahren Corona in diesem Januar wieder tun können. Doch das gemeinsame Feiern in ihrer neuen Heimat ist ihnen ebenso wichtig.

Das kann Nguyen Hai Van bestätigen. Die 38-Jährige kam mit acht Jahren nach Deutschland, ist hier zur Schule gegangen und hat studiert. Heute arbeitet sie als Sachbearbeiterin bei der Stadtverwaltung. „Wir aus der zweiten und auch schon dritten Generation sind in Deutschland angekommen und haben deutsche Freunde und Kollegen. Doch die Tradition bleibt uns wichtig. Wir geben sie weiter an unsere Kinder.“ Das jährliche Fest sei wie ein Familientreffen, sagt sie. Vor allem die Elterngeneration von ehemaligen DDR-Vertragsarbeitern sei froh, dass die Traditionen nicht verloren gingen und sich Jung und Alt bei solchen Festen träfen.

Der traditionell vietnamesische Frühlingstanz mit Blumen ist ein Symbol des Neuanfangs.
Der traditionell vietnamesische Frühlingstanz mit Blumen ist ein Symbol des Neuanfangs.

© Andreas Klaer

Zur Tradition gehört auch das typische Festessen: der Chung-Kuchen. Er dürfe auf keinen Fall fehlen – das wäre wie Weihnachten ohne Gans, sagt Ninh Do. Das Gericht, das zwölf Stunden lang gekocht werden muss, hat mit einem Kuchen auf den ersten Blick gar nichts zu tun. Die kleinen Päckchen aus Dong-Blättern sind gefüllt mit Reis, Schweinefleisch und Mungbohnen. Daneben liegen auf dem Tisch Salate, Klebereis in unterschiedlichen Farben, vietnamesische Wurst und Schinken, Hühnerfleisch und natürlich Frühlingsrollen.

Zubereitet und spendiert hat das alles Nguyen Van Sin. Er betreibt ein Bistro in der Friedrich-Ebert-Straße. Van Sin lebt seit 1994 in Deutschland. Er gehört zu den Familiennachzüglern der ersten Vertragsarbeitergeneration. 

Eltern und Großeltern als DDR-Vertragsarbeiter eingereist

Den Deutschen sind Vietnamesen, vor allem die der ersten Generation, meist als Gastronomen, Blumenhändler, Änderungsschneider oder Betreiber von Nagelstudios bekannt. Auch in Potsdam ist das so. Allein in und um die Brandenburger Straße herum ist die Auswahl an Restaurants mit vietnamesischer Küche groß. In anderen Berufen sieht man sie seltener. Ninh Do macht die oft noch immer mangelnden sprachlichen Fähigkeiten dafür verantwortlich. Das Vokabular, das man in einem Nagelstudio oder Imbiss brauche, sei weniger umfangreich, sagt sie.

600
Vietnamesen leben in Potsdam

Organisiert sind die Vietnamesen in Potsdam kaum. Die erste Generation hatte den Club „Du und ich“ gegründet. Den gibt es auch heute noch am Bürgerhaus.

Kinder schlagen beruflich neue Wege ein

Doch die zweite und dritte Generation, die perfekt Deutsch spricht, geht immer mehr andere Wege. Der 19-Jährige Namal Chanh studiert in Berlin Informatik. Selbstverständlich nehme er an traditionellen Festen teil, sagt Chanh. Doch sein Freundeskreis gehe weit über die vietnamesische Community hinaus.  

Beim Neujahrsfest ging es laut und fröhlich zu.
Beim Neujahrsfest ging es laut und fröhlich zu.

© Andreas Klaer

Ninh Do hat an der Uni Potsdam studiert und lebt seit 2010 hier. Sie arbeitet an Projekten verschiedener Träger, die sich der Integration von Menschen mit vietnamesischen Wurzeln widmen. Ehrenamtlich engagiert sie sich zudem bei der Gesellschaft für Inklusion und soziale Arbeit (ISA), dem einzigen Trägerverein in Brandenburg, der landesweit Angebote für die vietnamesische Community macht.

Ninh Do hat in zahlreichen Gesprächen festgestellt, dass etwa Frauen, die selbstständig sind, oftmals weit über 40 Wochenstunden arbeiten. Sie seien außerdem oft allein für den Haushalt und die Familie verantwortlich. Das schränke ihre sozialen Kontakte ein, sagt Ninh Do. Die Folgen: mangelhafte deutsche Sprachkenntnisse, die wiederum die Kommunikation erschwerten.

Gegen diese kulturelle und soziale Ausgrenzung will Ninh Do etwas tun und hat das Projekt „Partiviet – Begegnung und Teilhabe fördern für vietnamesischstämmige Frauen“ bei ISA initiiert. Es wird durch das Bundesinnenministerium und die Integrationsbeauftragte des Landes Brandenburg gefördert. Das traditionelle Fest am Sonntag war gleichzeitig die Auftaktveranstaltung für Partiviet.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false