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Landeshauptstadt: Training für die Eltern

Neues Projekt zur Förderung von autistischen Kindern in Potsdam und Umgebung

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Babelsberg/Michendporf - Der kleine Tim ist ein Einzelgänger. Im Kindergarten spielt der Vierjährige nur wenig mit Gleichaltrigen, hat Kommunikationsschwierigkeiten und Probleme beim Malen. „Wir haben am Anfang gedacht, dass er ein kleiner Träumer ist“, sagt seine Mutter Annette Prochnow aus Michendorf (Potsdam-Mittelmark). Ärzte stellen schließlich frühkindlichen Autismus fest – eine extreme Kontaktunfähigkeit. Familie Prochnow gehört zu den Teilnehmern eines neuen, nach Angaben des Trägers bundesweit einmaligen Projektes mit dem Titel „PEFA – Potsdamer Elterntraining zur Frühförderung autistischer Kinder“. Ein ähnliches Vorhaben gebe es nur am Bremer Institut für Autismusforschung, heißt es beim Verein Oberlinhaus in Potsdam.

Der Verein ist Träger des im Oktober begonnenen Projektes und bezahlt gemeinsam mit der Förderorganisation Aktion Mensch die Kosten von rund 350 000 Euro, wie Projektleiter Helmut Ott sagt. „Die Eltern waren bislang nicht im Fokus“, erläutert er das Einmalige der Idee. Ziel sei, Mütter und Väter von Fachleuten so intensiv zu begleiten, dass sie später ihre autistischen Kinder optimal fördern können. Wissenschaftlich begleitet werde das auf drei Jahre angelegte Modellprojekt von der Psychologisch-Psychotherapeutischen Ambulanz der Universität Potsdam und dem Institut für Autismusforschung an der Jacobs University Bremen.

Die Krankheit wurde nicht zuletzt durch den preisgekrönten Film „Rain Man“ bekannt, in dem Schauspieler Dustin Hoffman einen Autisten verkörpert. Autismus ist nach Angaben des Bremer Institutes eine tiefgreifende Entwicklungsstörung. Ursache sei eine neurobiologische Störung der Hirnentwicklung. Betroffene verstünden oftmals andere Menschen nicht und wendeten sich von ihnen ab. Autisten entwickeln demnach eigene Regeln und Rituale – und manchmal auch besondere Fähigkeiten, wie etwa eine außerordentliche musikalische Begabung.

Bundesweit seien von tausend Kindern etwa zwei bis drei betroffen. Ein kleiner Teil von ihnen entwickelt sich den Angaben zufolge relativ normal, die meisten jedoch seien schwerbehindert. Nach Angaben des Oberlinhauses – ein eigenständiges diakonisches Dienstleistungsunternehmen – wird jetzt durch kinderärztliche Untersuchungen Autismus früher erkannt als noch vor Jahren.

Im Land Brandenburg leben den Angaben zufolge rund 6400 autistische Menschen. Trainerin des Potsdamer Projektes ist Claire Molnár. Sie begleitet mit Helfern im ersten Jahr vier Familien in Brandenburg und Berlin für mehrere Stunden in der Woche. „Die Eltern sollen lernen, ihr eigenes Kind zu beobachten“, sagt Molnár. Wenn sich ein autistisches Kind zum Beispiel weigert, Zähne zu putzen, versuchten Mütter und Väter gemeinsam mit den Experten herauszufinden, warum das so ist.

Das Projekt lehnt sich an Erkenntnissen aus den USA an. Für die Jahre 2009 und 2010 würden noch Kinder zwischen zwei und fünf Jahren mit ihren Eltern als Teilnehmer gesucht, sagt Ott. Bei einem Erfolg des Projekts erhofft sich der Leiter Fördergelder für eine Fortsetzung. Annette Prochnow will durch die kostenlose intensive Betreuung in den kommenden zwölf Monaten eine bessere Förderung für Tim erreichen. Bisherige Bemühungen seien nicht ausreichend gewesen, sagt die Mutter. Sie wünsche sich, jetzt selbst ein Stück weit „selbst Fachfrau zu werden“. Prochnow geht offensiv mit der Krankheit ihres Sohnes um. „Wenn es die Leute wissen, erfährt man auch Unterstützung.“ Leticia Witte

Leticia Witte

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