
© Konstanze Kobel-Höller
Tritte ins Gesicht: Fast sieben Jahre Haft für jungen Gewalttäter aus Potsdam
Mit Brutalität fiel ein 22-Jähriger über seine Opfer in Potsdam her, trat und schlug. Jetzt stand er vor Gericht, das ihn am Ende lange ins Gefängnis schickte.
Stand:
Heftig weinend wurde der 22 Jahre alte Angeklagte in Handschellen von seiner Mutter umarmt. „So viele Jahre“, schluchzte sie am Dienstag. Gerade war ihr Sohn im Landgericht Potsdam zu sechs Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt worden.
Die Liste der Taten des gebürtigen Russen ist lang und umfasst unter anderem mehrmals schwere Körperverletzung, Freiheitsberaubung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Beleidigung, Raub und mehr. Dabei sei der Angeklagte mit besonderer Brutalität vorgegangen, waren sich Staatsanwalt und Gericht einig.
Dem 22-Jährigen, der schon mehrmals vor Gericht stand, warf die Staatsanwaltschaft diesmal 13 Straftaten aus dem Bereich der Schwerkriminalität vor. Es begann mit der Drohung „Ich steche dich und deinen Vater ab“ und endete mit einem maskierten Raub. Dazwischen liegen vor allem mehrere brutale Körperverletzungen, meist gemeinschaftlich.
So schlug und trat er dermaßen auf einen Mann ein, dass dieser mehrere Wochen krankgeschrieben wurde. Auf der Jagd nach einer SIM-Karte mit Daten für Drogendeals erlitt ein Opfer unter anderem durch 20 bis 30 Tritte ins Gesicht so schwere Verletzungen, dass es zweimal operiert werden musste.
Ein Mann wurde mit einer Waffe zu einer Autofahrt gezwungen, ein anderer wurde so mit Schlägen und Tritten traktiert, dass er nicht nur einen Schneidezahn verlor, sondern auch bewusstlos wurde. Selbst drei Zeugen mit Kampfsportkenntnissen konnten die Angreifer nicht unter Kontrolle bringen, die sich mit Rufen wie „Wir töten ihn!“ hochpeitschten.
Nur fünf Tage nach der Entlassung aus einer dreiwöchigen U-Haft überfiel der Angeklagte im April 2025 mit drei Mittätern eine Familie in ihrer Wohnung, wo er mit Maske und Messer die Herausgabe einer Geldkassette verlangte. Zum Abschied bedrohte er ein vier Monate alte Baby.
Er ist Verursacher eines negativen Stadtbildes.
Staatsanwalt über den Angeklagten
Der Staatsanwalt sprach von fehlender Impulskontrolle und hoher krimineller Energie des Angeklagten, der eine schwierige Kindheit gehabt habe. Die Taten seien mit übler Brutalität und öffentlichkeitswirksam in der Innenstadt begangen worden. „Er ist Verursacher eines negativen Stadtbildes“, so der Ankläger, der meinte, Indikatoren der organisierten Kriminalität zu erkennen. Zugunsten des Angeklagten sprächen hingegen nur zwei angedeutete Entschuldigungen.
Das sah der Anwalt anders. Der 22-Jährige, der nach einem abgelehnten Asylantrag den Duldungsstatus hat, habe sich glaubwürdig entschuldigt und zudem in der U-Haft enorme Fortschritte gemacht. Der Verteidiger zweifelte die traumatischen Folgen der Opfer des Überfalls an, bei dem sein Mandant überdies nicht von der Beute profitiert habe. Zudem sei der Angeklagte in mehreren Fällen alkoholisiert gewesen.
Mitleid vor allem mit sich selbst
Als der 22-Jährige das Wort ergriff, verließ seine Mutter, die bis dahin schluchzend zugehört hatte, den Saal. Er beschrieb emotional, wie schlimm die U-Haft, speziell drei Monate Einzelhaft, für ihn waren. „Ich musste zusehen, wie die anderen Spaß haben“, sagte er. Die Monate hätten ihm gezeigt, welchen Wert Freiheit und Familie hätten. Zu seinen Taten sagte er, er habe sich manipulieren lassen und sich angepasst. Es tue ihm alles sehr leid und er bitte bei den Opfern um Vergebung. „Ich möchte einfach nur nach Hause, bitte verschonen Sie mich“, appellierte er unter Tränen.
Doch die Vorsitzende Richterin fand deutliche Worte. Sie sprach von brachialer Gewalt, mit der er auf seine Opfer losgegangen sei. Seine Taten zeigten, dass er kein Maß kenne. Nicht einmal seine Mutter finde Zugang zu ihm. Sie sprach von einer „unglaublichen Rückfallgeschwindigkeit“ und erheblichen Folgen für die Geschädigten.
Der 22-Jährige wurde zu sechs Jahren und zehn Monaten Jugendhaft verurteilt, er kann Rechtsmittel ergreifen. Der Staatsanwalt hatte acht Jahre gefordert, der Verteidiger höchstens dreieinhalb und die Aufhebung des Haftbefehls. Zudem wird Barvermögen unklarer Herkunft eingezogen.
Für den Prozess galt eine erhöhte Sicherheitsstufe, da es zu einem früheren Termin zu Störungen durch Freunde des Angeklagten gekommen war. Auch die Mutter durfte ihren Sohn erst umarmen, nachdem sichergestellt war, dass sie durchsucht worden war.
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