LEUTE in Potsdam: Trotzdem Ja zum Leben sagen Marianne Seibert möchte mit Lebensmut anstecken
LEUTE in Potsdam Was für die meisten nur schwer vorstellbar sein dürfte, ist für die Vorsitzende desBrandenburger Multiple-Sklerose-Landesverbandes eine Selbstverständlichkeit: Dass man ein „sehr, sehr schönes Leben mit Behinderung“ führen kann. Marianne Seibert weiß, wovon sie spricht.
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LEUTE in Potsdam Was für die meisten nur schwer vorstellbar sein dürfte, ist für die Vorsitzende desBrandenburger Multiple-Sklerose-Landesverbandes eine Selbstverständlichkeit: Dass man ein „sehr, sehr schönes Leben mit Behinderung“ führen kann. Marianne Seibert weiß, wovon sie spricht. Denn die 55-Jährige ist seit zwanzig Jahren selbst an Multipler Sklerose erkrankt, seit zwölf an den Rollstuhl gefesselt. Gerade die Ungewissheit über die nächsten Jahre, über das weitere Fortschreiten ihrer Krankheit sei es, die sie intensiver leben lasse. Vieles, was ihr früher einmal wichtig gewesen ist, hat für sie jetzt einen anderen Stellenwert bekommen. Es sind die sprichwörtlichen „kleinen Dinge des Lebens“, die der zierlichen Frau im Rollstuhl ihre Kraft geben. Das war nicht immer so: Um den Schock nach der Diagnose ihrer Krankheit zu verarbeiten, brauchte Marianne Seibert über zwei Jahre. Doch erst die politische Wende 1989/90 eröffnete ihr eine Möglichkeit, mit ihrer Erkrankung konstruktiv umzugehen – „sie war mein persönlicher Glücksfall“. In der DDR habe man Behinderung „ja etwas totgeschwiegen“, weiß die Vorsitzende aus eigener Erfahrung zu berichten. Selbsthilfegruppen – für sie eine unabdingbare Hilfe für das Leben mit Multipler Sklerose – waren aus ideologischen Gründen verboten. Nach dem Fall der Mauer aber änderte sich die Situation und schnell war der Kontakt zur Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) hergestellt. Kurze Zeit später gründete Marianne Seibert mit sieben anderen Betroffenen den Landesverband Brandenburg. Für sie war dies der Weg, „der mir etwas gibt“. Hätte sie die Möglichkeit des ehrenamtlichen Engagements in einem Verband, der sich für ihre „ureigensten Interessen“ einsetzt, nicht gehabt, „hätte ich mich wahrscheinlich in mein Schneckenhaus verkrochen und wäre drin geblieben“. So aber konnte sie nicht nur lernen, ihre Krankheit zu akzeptieren, sondern auch dabei helfen, andere Betroffene aus ihrer Isolierung zu holen. In der „wunderbaren Aufgabe“ ihrer Arbeit sieht sie daher die Möglichkeit, MS-Kranke mit ihrem Lebensmut anzustecken, ihnen klarzumachen, dass „man gegen Multiple Sklerose zwar nichts machen, aber sehr viel tun kann“. Da sich in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten viel für MS-Erkrankte in Brandenburg getan hat, freut es sie, heute eine positive Bilanz über ihr Tun ziehen zu können. Für ihre Zukunft wünscht sich die Wahlpotsdamerin vor allem mehr Akzeptanz für Behinderte von seiten der Politik. Denn an „Lippenbekenntnisse“ ist Marianne Seibert, die auch Vorsitzende des Brandenburger Behindertenbeirates ist, mehr als gewöhnt. Politiker sollten weniger auf Finanznöte achten und mehr auf die Menschen sehen. So ist nach zwei Jahren Überzeugungsarbeit der Potsdamer Behindertenbeirat zwar noch immer nicht eingesetzt, aber Marianne Seibert sieht darin kein Grund zum Resignieren: Sie hat während ihrer Krankheit gelernt, dass man kämpfen muss – eine Fähigkeit, die ihr bei ihrer Arbeit bisher stets geholfen hat. Matthias Oden
Matthias Oden
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