zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Tüfteln für den Kosmokrator Wer die perfekte Illusion auf

der Leinwand will, muss erfinderisch sein. Der Szenenbildner muss antizipieren können, wie sich welche Tricks im Film auswirken, er zeichnet, bastelt und baut, bis die perfekte Filmwelt entsteht. „Alles nur Kulisse?!“ ist die neue Ausstellung im Filmmuseum über die spannende Arbeit im Hintergrund

Stand:

Aerodynamische Raumschiffe mit spitzen Nasen, dazwischen Sendemasten und winzige Männeken am Boden, malte Alfred Hirschmeier 1960. Die Kohlezeichnung auf einem großen Bogen beigen Kartons heißt „Kosmokrator“ und ist ein Entwurf für „Der schweigende Stern“, ein utopischer Film, wie die Science-Fiction-Filme in der DDR hießen. Nicht selten waren diese noch mit einem politischen Bildungsauftrag verbunden, wenn zum Beispiel böse westliche Mächte zur Bedrohung wurden. Und doch waren es beeindruckende Streifen, die bis heute ihre Fans haben, nicht zuletzt wegen der ausgefeilten Kulissen und Szenenbilder. Hirschmeiers Entwürfe von Planetenwelten und Raumschiffen sind einzigartig schöne Zeichnungen, kleine zeichnerische Kunstwerke, die gut und gern für sich allein stehen könnten. Jetzt wurden sie aus dem Archiv des Filmmuseums geholt und sind in der Ausstellung „Alles nur Kulisse?!“ zu sehen, die das Genre der Szenenbildner und Kulissenbauer näher beleuchten will. Am morgigen Donnerstag wird die neue Sonderausstellung eröffnet und ist dann ein Jahr zu sehen.

Das Handwerk des Szenenbildners ist so alt wie der Kinofilm selbst und seit den Anfängen der Filmproduktion fester Bestandteil der Dramaturgie. Die trickreich aufgebauten diversen Bausteine – vom originalen Außendrehort bis zum Modell in minimaler Größe – müssen vor der Kamera so zusammengefügt werden, dass sie auf der zweidimensionalen Ebene des fertigen Films den gewünschten Effekt erzielten. Die perfekte Illusion für den Zuschauer. Was da alles möglich ist und mit welchen zum Teil ganz einfachen Tricks oder ausgefeilten Techniken gearbeitet wurde und wird, ist in der Ausstellung wunderbar zu sehen. Insgesamt etwa 400 Exponate aus der Ufa- und Defa-Zeit haben die Kuratoren, die Kunsthistorikerin Annette Dorgerloh, Dorett Molitor vom Filmmuseum, Corinna Rader und Marcus Becker zusammengestellt. Material gibt es genug, es hätte für mehrere Ausstellungen gereicht, so Becker. „Wir freuen uns, endlich mal etwas zeigen zu können, was sonst unsichtbar ist“, sagte Becker. Das gilt in zweierlei Hinsicht.

Denn das, was die Szenenbildner tun, der ganze aufwendige Arbeitsprozess, bleibt für den Zuschauer bis auf das Ergebnis unsichtbar. Aus Styropor und Farbe, aus Licht und räumlicher Spielerei wird eine täuschend echte Filmwelt. Detailverliebte Modelle und Aufbauten sind die Produkte von Tüftlern und Freaks, die mit traditionellen als auch hochmodernen Techniken umzugehen wissen. Und sich zu DDR-Zeiten nicht nur in den Science- Fiction-Filmen austoben konnten. Vor allem die Märchenfilme waren Kunstwerke. Wie auch den Utopien ist ihnen ein eigener Raum der Ausstellung gewidmet, der originales Zubehör zeigt: die Throneinfängermaschine und Teile des Waldes von „Gritta von Rattenbeiunszuhaus“, einen knorrigen Stuhl, auf dem Manfred Krug als „König Drosselbart“ saß, und das wunderschöne Glitzerkleid der „Regentrude“.

Die Recherche für authentische Bilder gestaltete sich zu DDR-Zeiten etwas schwierig. Das Bild- und Motiv-Archiv war in knapp 4000 Ordnern angelegt, hier befanden sich Bilder diverser Orte, Ansichten und Anlässe, sei es ein moderner Flughafen oder die Mode des 18. Jahrhunderts – ein Nachschlagewerk für die Filmemacher. In der Ausstellung ist der Arbeitsplatz eines Defa-Szenenbildners nachgebaut, mit Aktenordnern und einem kostbaren Originalexponat, dem Arbeitskoffer des Defa-Szenenbildners Alfred Hirschmeier. Der aufklappbare Holzkasten beinhaltet alles, was er zum Basteln brauchen könnte.

Daneben zeigen zahlreiche Fotos, Standbilder oder raumgroße technische Zeichnungen, wie man sich Dreharbeiten vorstellen muss. Kleine Zeichnungen halten die Bildabfolge des Films wie einen Fahrplan fest. Gebäudemodule und Felsenlandschaften aus Pappmaschee, zwischen denen winzige Schienen für die Kamera liegen, zeigen die Arbeit am Set. Mit Beginn der Digitalisierung änderte sich manches – und manches blieb ganz traditionell. Vor allem die ersten Ideen und Skizzen werden noch immer von Hand gezeichnet, sagt Kuratorin Corinna Rader.

Auch den Potsdamer Schlössern und Parks als Drehorten ist ein Modul gewidmet. Nicht immer liefen solche Filmarbeiten konfliktfrei ab, wie ausgestellte Schriftstücke zeigen: Der Absender eines Briefes der Schlösserverwaltung aus dem Jahr 1964, Betreff: Dreharbeiten im Neuen Palais, war sauer: „Die Einstellung sämtlicher Mitarbeiter der Defa zu unseren Räumlichkeiten und den darin vorhandenen Kunstwerken spottet jeder Beschreibung“, heißt es dort. Bei künftigen Dreharbeiten stelle man selbst Arbeitskräfte, die dann von der Defa zu bezahlen seien, Schäden am Drehort sind von der Defa unverzüglich zu beseitigen.

Zuletzt kann sich der Ausstellungsbesucher persönlich in ein Szenenbild, zwischen diverse Hintergründe und Frontprojektionen stellen. Dann erscheint man plötzlich im Eismeer oder einer toskanischen Landschaft und kann sich selbst auf dem Bildschirm zuwinken.

Eröffnung am morgigen Donnerstag, dem 3. Dezember, um 19 Uhr, im Filmmuseum, Breite Straße 1 a. Geöffnet Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr, der Eintritt beträgt 4 Euro. Das Buch zur Ausstellung „Alles nur Kulisse?! Filmräume aus der Traumfabrik Babelsberg“ kostet 18 Euro.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })