
© Andreas Klaer
Landeshauptstadt: Türgriff gegen Mikroben
Im neu eröffneten Fraunhofer-Leistungszentrum werden Funktionsmaterialien erforscht und entwickelt
Stand:
Golm - Das Beispiel ist wenig appetitlich, dafür aber umso eindrücklicher: „Wo gibt es mehr Bakterien? Auf der Brille der Zugtoilette oder auf den Griffen Ihrer Tür?“, fragt Hans-Ulrich Demuth. Der Forscher, der den Institutsteil Bioanalytik und Bioprozesse des Fraunhofer-Instituts für Immunologie und Zelltherapie (IZI-BB) leitet, gibt auch gleich die Antwort: „Eindeutig auf den Griffen der Tür.“ Eine mögliche Lösung für das Problem hat der Wissenschaftler ebenfalls parat: Der Türgriff sollte mit einem Material beschichtet sein, das die Mikrobenbelastung minimiert. „Wir können dieses Material zukünftig entwickeln“, verspricht Demuth.
Mit „wir“ meint der IZI-BB-Direktor die Partner des von der Fraunhofer-Gesellschaft initiierten Leistungszentrums „Funktionsintegration“, das gestern im Beisein von Dietmar Woidke (SPD), Ministerpräsident des Landes Brandenburg, und der Wissenschaftsministerin Martina Münch (SPD) im Wissenschaftspark Potsdam-Golm eröffnet wurde.
Die bakterienabweisende Oberfläche ist ein Paradebeispiel für ein sogenanntes Funktionsmaterial. Leuchtende Textilien, Bauteile mit Drucksensoren oder komplexe Medizinlabore auf winzigen Chips: Materialien mit integrierten biologischen oder physikalisch-chemischen Funktionen stehen im Mittelpunkt des neuen Fraunhofer-Leistungszentrums, das unter dem Leitmotto „Struktur trifft Funktion“ steht.
Das Land Brandenburg und die Europäische Union fördern das Zentrum mit insgesamt rund 25 Millionen Euro. Ein Großteil des Geldes wird in ein neues Labor- und Bürogebäude des Fraunhoferstandortes Wildau investiert. Weitere 2,5 Millionen Euro kommen von der Fraunhofer-Gesellschaft. Es sind Investitionen, die sich auszahlen werden, ist Woidke überzeugt. „In Brandenburg gibt es bisher kaum wirtschaftsbasierte Forschung“, sagte der Ministerpräsident. Die enge Vernetzung von wissenschaftlichen Einrichtungen und Wirtschaft sei jedoch dringend notwendig, um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern und berge große Chancen für die Region. „Das Leistungszentrum ist ein wichtiger Schritt, und mit Sicherheit nicht der letzte“, versprach der Ministerpräsident.
Die im Wissenschaftspark ansässigen Fraunhofer-Institute IZI-BB und das Institut für Angewandte Polymerforschung (IAP) in Wildau koordinieren das Leistungszentrum, dem weitere wissenschaftliche Einrichtungen wie die Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg und das Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung sowie rund 30 Unternehmen angehören.
Entscheidend sei auch die enge Einbindung der Universität Potsdam als Ankeruniversität und „Forschungspartner auf Augenhöhe“, betonte Fraunhofer-Vorstand Alexander Kurz. Mit dem Standort im Wissenschaftspark und der hier ansässigen Expertise in der Materialforschung habe das neue Leistungszentrum optimale Voraussetzungen für künftige Forschungsvorhaben und zudem ein enormes Innovationspotenzial.
Mit der nun eröffneten Einrichtung betreibt die Fraunhofer-Gesellschaft deutschlandweit insgesamt 17 Leistungszentren. Sie sollen den Schulterschluss der universitären und außeruniversitären Forschung mit der Wirtschaft ermöglichen und wissenschaftliche Exzellenz mit gesellschaftlichem Nutzen verbinden. Dabei geht es um die gesamte Wertschöpfungskette von der Forschung über den Transfer des Wissens in die Wirtschaft bis hin zur Entwicklung neuer Produkte.
Forschung und Lehre, Nachwuchsförderung, Infrastruktur, Innovation und Transfer sind die Felder, in denen die Partner über verbindliche, durchgängige Roadmaps miteinander agieren wollen. „Es geht darum, dauerhafte Effekte zu generieren, strategische Partnerschaften mit Unternehmen einzugehen und Technologien nach außen zu tragen“, erklärt IAP-Leiter Alexander Böker. Vor allem kleinere und mittelständische Unternehmen werden vom Leistungszentrum profitieren, ist sich Böker sicher: „Mit dem Technologievorsprung können sie effizienter und innovativer produzieren und es wird Raum für Netzwerke, Start-ups und Ausgründungen geben.“
Mit zunächst acht von der Fraunhofer-Gesellschaft und zehn vom Land geförderten Initialprojekten startet das Leistungszentrum ab sofort in die Praxis. Forscher und Industriepartner werden gemeinsam an neuen Technologien für die Charakterisierung von bakteriellen Toxinen, an Biosensoren, die Krankheitserreger erkennen, oder an Formgedächtnispolymeren für den 3D-Druck arbeiten. In den kommenden Jahren sollen dann die Netzwerkstruktur des Zentrums ausgebaut und weitere Projekte initiiert werden.
Heike Kampe
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: