SPITZEL-AFFÄRE: Übergangslösung nach der Ära Paffhausen
Oberbürgermeister Jann Jakobs kündigt zahlreiche Veränderungen an, die Politik fordert weitere Aufklärung zu den Vorwürfen
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Die Glastür des Stadtwerkepalastes in Babelsberg geht auf, die Protagonisten betreten wie Gladiatoren die Bühne. Peter Paffhausen lächelt verschmitzt, spricht seine vorbereiteten Worte. Es falle ihm schwer, der Rückhalt fehle. Um Schaden vom Unternehmen abzuwenden, habe er sich zu diesem Schritt entschieden. Kein Wort der Entschuldigung, kein Wort der weiteren Aufklärung. Nachfragen lässt er nicht zu. Der 61-Jährige dreht sich um und verlässt die große Bühne der Öffentlichkeit. Nach 14 Jahren als Chef des kommunalen Energieversorgers hat er an diesem Freitag seinen Posten niedergelegt. Welche Nachbeben das in den nächsten Tagen auslösen wird, ist nur zu erahnen.
Schwere Vorwürfe stehen im Raum. Jahrelang soll im Auftrag von Paffhausen gespitzelt worden sein. Mitarbeiter der Firma UP-Sicherheitsmanagement, die seit 1999 Aufträge von dem städtischen Unternehmen erhalten haben, sollen die Telefone verschiedener Mitarbeiter abgehört haben. „Ich kenne diese Gerüchte“, sagt Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD). Es gebe dafür keine Anhaltspunkte. Und solange sie nicht bewiesen sind, gelte die Unschuldsvermutung. Die Beweislast könne nicht umgedreht werden, so Jakobs. Paffhausen müsse nicht beweisen, dass er etwas nicht getan habe. Die Ankläger müssten beweisen, was er getan hat, so der Oberbürgermeister. Ob es ein juristisches Nachspiel geben wird, bleibt weiter unklar. Bei der Staatsanwaltschaft Potsdam sei noch keine Anzeige gegen Peter Paffhausen eingegangen, sagte Behördensprecher Rolf Roggenbuck. Die Staatsanwaltschaft „beobachte den Fall“. Es gebe keine strafrechtliche Relevanz der untersuchten Vorgänge, sagte Jakobs. Und wenn es die gäbe, wären sie verjährt.
Er präsentierte am Freitag sofort eine Übergangslösung für die Nach-Paffhausen-Ära des kommunalen Unternehmens. Kämmerer und Bürgermeister Burkhard Exner (SPD) wird Interims-Stadtwerke- Geschäftsführer, die Prokuristen der Energie und Wasser GmbH, Wilfried Böhme und Holger Neumann, übernehmen die Leitung des Energieunternehmens.
Für die FDP-Fraktionschefin Martina Engel-Fürstberger keine gute Wahl: „Es wäre dringend notwendig gewesen, dass keiner aus den Unternehmen oder der Verwaltung jetzt bei den Stadtwerken die Geschäftsführung übernimmt. Die bisherigen Prokuristen und Exner sind die schlechteste Wahl, die ich mir vorstellen kann“. Jakobs begründete den Schritt damit, dass er Personen brauche, die die Geschäfte sofort weiterführen können.
Während Kommunal- und Landespolitiker den Abtritt Paffhausens gestern begrüßten und weitere Aufklärung forderten, dankte Jakobs dem Geschäftsführer und Stadtwerke-Schmied überschwänglich: Paffhausen habe die Stadtwerke „zu einem kommunalen Vorzeigeunternehmen mit bundesweiter Anerkennung“ gemacht. Schon nach der Sondersitzung des Aufsichtsrates am Mittwoch trat Jakobs vor die Mikrofone und sagte trotz anhaltender Kritik im politischen Umfeld: Der Aufsichtsrat sei mit der Arbeit des Geschäftsführers „vollauf zufrieden“. Warum die Wahrnehmung des Aufsichtsrates sich derart von der der anderen Stadtverordneten unterscheide, erklärte er mit den Worten: Es gebe verschiedene Blickwinkel auf die Vorgänge.
Ein Untersuchungsbericht der Kanzlei Erbe und Partner zu den Spitzel-Vorwürfen gegen den Geschäftsführer der Pro Potsdam, Horst Müller-Zinsius, hat in dieser Woche zu den unterschiedlichsten Beurteilungen geführt. So sagte CDU-Stadtfraktionschef Michael Schröder beispielsweise nach Einblick in den Bericht: „Ich kann mir nicht erklären, was den Aufsichtsrat zu seiner Haltung bewogen hat.“ Er habe Paffhausen damit nicht entlastet gesehen.
Schon 2005 hätte die Affäre bekannt werden können. Denn im Sommer jenes Jahres ging der dreiseitige Spitzel-Bericht der Detektei, der im November 2010 im Briefkasten von Horst Müller-Zinsius landete und Auslöser der Spitzel-Affäre ist, anonym an die damalige Stadtverordnete Heiderose Gerber der Fraktion Die Andere – samt eines ironisch formulierten Anschreibens. Damals kochte die Affäre aber nicht hoch.
Unruhe herrscht nun in den Potsdamer Sportvereinen, die von der EWP gesponsert wurden. „Das ist ein Verlust“, sagt ein Vereinsverantwortlicher, der nicht mit seinem Namen zitiert werden will. Er fürchtet – auch angesichts der Diskussion um Sponsoring städtischer Unternehmen für Sportvereine –, „dass es nun vielleicht bald keine Sportstadt mehr geben wird“. Diese Befürchtungen versuchte SPD- Chef Mike Schubert zu besänftigen. „Allen, die so weit gehen, jetzt die Stadtwerke und auch ihre Verantwortung für das gesellschaftliche Zusammenleben in unserer Stadt infrage zu stellen, werden wir jedoch entgegentreten.“ Allerdings müssten die Gespräche mit dem Antikorruptionsverein Transparency International (TI) über die transparente Gestaltung der Sponsoringbeziehungen zwischen den städtischen Gesellschaften und Vereinen der Stadt „zügig“ zu Ende geführt und die notwendigen Veränderungen der Stadtverordnetenversammlung zur Beschlussfassung vorgelegt werden. TI-Geschäftsführer Christian Humborg sagte, die „Verquickung“ von städtischen Unternehmen, deren leitenden Personen und Sportvereinen über Sponsoring sei „grundsätzlich kritisch“ zu sehen. Wenn dies nicht vermieden werden könne, seien zumindest umfassende Transparenz und eine klare Regelung zum Umgang mit Interessenkonflikten nötig.
Veränderungen im Führungsstil von Stadtwerke und EWP hat Jakobs gestern angekündigt. Es werde künftig immer zwei Geschäftsführer geben, zudem halte er einen Kodex für städtische Unternehmen für überlegenswert. Nun sollen neue Geschäftsführer für die Stadtwerke und den Energieversorger gesucht werden. Die Ära Paffhausen ist beendet.
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