Homepage: Überlast in Kauf nehmen
An der Universität Potsdam studieren mehr Studenten als vorgesehen, die Politik rechnet in Zukunft aber mit sinkenden Zahlen
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Vor dem Hintergrund wachsender Studierendenzahlen wächst an der Universität Potsdam der Unmut. Nicht nur, dass Studierende sich mit einem Rechtsgutachten gegen die Beschränkung von überfüllten Lehrveranstaltungen zu wehren versuchen. Auch unter den Lehrkräften ist hinter vorgehaltener Hand Kritik zu vernehmen. So bemängelt etwa ein Professor in führender Position, dass an der Universität neben festen Strukturstellen auch unbezahlte Lehraufträge für die Berechnung der Aufnahmequote von Studierenden zugrunde gelegt werden. Dadurch werde kaschiert, dass für die vorhandene Zahl von Studierenden nicht ausreichend Dozenten zur Verfügung stehen. Schließlich könne ein Lehrauftrag nach einem Semester schon wieder passé sein.
Kritik kam nun auch von der Links-Partei. Der hochschulpolitische Sprecher Peer Jürgens rechnet vor, dass an der Wirtschafts-, Sozial- und Rechtswissenschaftlichen Fakultät sowie im Fach Sport an der Uni Potsdam auf rund 100 Studierende ein Dozent komme, bei den Ingenieurswissenschaften seien es gar 148 Studierende pro Professor. Während die Potsdamer Uni maximal auf 12000 Studierende zugelassen sei, nähert man sich hier schon der Marke von 18 000. Die Universität meldet aktuell 16000 Plätze, was immer noch einen Überhang von 2000 Studierenden ergibt. Eine Anfrage der Linkspartei an die Landesregierung habe nun ergeben, dass die Hochschulen die Kapazitätsprobleme in Eigenverantwortung zu lösen hätten.
Vom Wissenschaftsministerium ist dazu zu erfahren, dass die Hochschulen nach Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichtes zu einer erschöpfenden Ausnutzung der Aufnahmekapazitäten verpflichtet sind. „Von daher sind alle den Hochschulen zur Verfügung stehenden Lehrkapazitäten bei der Berechnung der Aufnahmequoten anzusetzen, wozu auch Lehrauftragsstunden zählen“, sagte Ministeriumssprecher Holger Drews gegenüber den PNN. Diese Praxis erfolge nach der Kapazitätsverordnung, die auf einem Staatsvertrag zwischen den Ländern basiere und mehrfach vom Bundesverfassungsgericht bestätigt worden sei.
Prorektor Prof. Jürgen Rode von der Uni Potsdam bezeichnete es als „kontraproduktiv“, dass unbezahlte Lehraufträge aus der Privatwirtschaft – „ein wichtiges Angebot für Studierende“ – auf die Kapazität der Hochschule aufgeschlagen würden. Zur Überlast an der Uni verwies Rode auf die seit zwei Jahren geltenden Zulassungsbeschränkungen: „In zwei bis drei Jahren dürften wir dadurch mit unseren Aufnahmekapazitäten im Einklang sein.“ Was für den AStA allerdings nicht akzeptabel ist: „Das steht dem von der Kultusminister- und der Hochschulrektorenkonferenz formulierten Ziel der Erhöhung der Studierendenzahlen entgegen.“
Den Vorwurf von Seiten der Studierenden und Lehrenden, dass bei der Berechnung der Kapazitäten die unzureichende Raumsituation nicht beachtet werde, kann das Ministerium allerdings teilweise entkräften. Es bestehe die Möglichkeit, aufgrund von fehlenden Räumen in ausreichender Zahl, Größe und Ausstattung die Aufnahmekapazität zu mindern. „Die Antragstellung liegt in der Verantwortung der Hochschulen“, so Sprecher Drews. Die Geräte-Ausstattung und der Zustand der Bibliothek sind laut Ministerium kein Kriterium für die Aufnahmekapazität: „Die Zulassungszahlen basieren auf der Ausstattung mit kapazitätswirksamem Personal.“ Doch gerade die unzureichende Ausstattung der Bibliothek ist es, die nach Auskunft von Lehrenden und Studierenden seit Jahren an der Potsdamer Uni den Lehrbetrieb einschränkt. Ein Problem, dass mit wachsenden Studierendenzahlen nicht kleiner wird. „Um optimale Studienbedingungen zu gewährleisten sollten diese Kriterien in die Kapazitätsberechnung mit einfließen“, fordert dann auch der AStA.
Derzeit studieren laut Wissenschaftsministerium in Brandenburg 40 925 Studierende, über 2000 mehr als 2003. Demgegenüber stehen derzeit 29 000 ausfinanzierte Studienplätze, in den kommenden zwei Jahren sollen 620 weitere hinzu kommen. Bis 2007 sollen dann insgesamt 3500 neue Studienplätze geschaffen sein, laut Ministerium wird dieses Ziel sogar um 120 Plätze übertroffen. Die Hochschulplanung des Landes stütze sich auf eine Prognose des Hochschul-Informations-Systems (HIS), dem zufolge die Zahl der Studierenden im Land zunächst noch ansteigt, ab 2009 aufgrund der demographischen Entwicklung allerdings wieder sinke. „Die bestehende Überlast ist in Kauf zu nehmen, um für die Bedarfssituation in den Folgejahren – Prognose: sinkende Studierendenzahlen – keine Überkapazitäten aufzubauen“, so das Fazit des Ministeriums. Dass die Kultusministerkonferenz nun überraschend für Deutschland bis 2012 steigende Studierendenzahlen erwartet, lasse keine Rückschlüsse auf einzelne Bundesländer zu. Da es in Brandenburg noch keine Beschlüsse zur Schulzeitverkürzungen gibt, stütze man sich weiter auf die HIS-Prognose.
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