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Gibt sich kämpferisch: Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) will mit Beseitigungsanordnungen die neuen Sperren am Groß Glienicker See entfernen lassen. Das erklärte er gegen bei einer spontanen Demo gegen die neu errichteten Zäune. Bei dem Protest gelangten etliche Teilnehmer auch auf die nun gesperrten Grundstücke.

© A. Klaer

Von Henri Kramer: Uferweg in Groß Glienicke gesperrt

Rund 500 Meter an der Westseite des Sees nicht mehr begehbar / Stadt will Zäune beseitigen

Stand:

Groß Glienicke - Der beliebte Spazierweg am Westufer des Groß Glienicker Sees ist in Gefahr. Zwei Anrainer haben am Dienstagmorgen den ehemaligen Postenweg der DDR-Grenzer auf etwa 500 Metern für die Öffentlichkeit gesperrt. Sie ließen Bauzäune errichten, einer pflanzte Hecken. Sicherheitsmänner verweigerten Passanten den Durchgang. Gesperrt ist der knapp 2,5 Kilometer lange Uferweg zwischen den Ufergrundstücken an der Seepromenade 39 bis 65, südlich der Badestelle des Ortsteils. Am Nachmittag begann nördlich dieser Stelle ein weiterer Anwohner, mit Baggern den Weg umzugraben. Damit eskaliert in Potsdam erneut ein Konflikt um einen öffentlichen Uferweg. Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) kündigte Gegenmaßnahmen an.

Mit der Sperrung in Groß Glienicke ist in Potsdam auf unabsehbare Zeit bereits der zweite Uferweg blockiert. Vor fast genau einem Jahr hatten Anrainer den Uferweg am Griebnitzsee abgeriegelt. Die Konfliktlage ist ähnlich: Beide Wege liegen im ehemaligen innerdeutschen Grenzgebiet, am früheren Mauerstreifen, beide führen über Privatgrundstücke. Ebenso lassen sich viele Anrainer beider Seen von dem Berliner Anwalt Christoph Partsch vertreten. Allerdings gibt es im Vergleich zum Griebnitzsee juristisch einen wichtigen Unterschied: Am Groß Glienicker See liegt ein gültiger Bebauungsplan vor, der den öffentlichen Weg enthält. Allerdings ist dieser bislang noch nicht öffentlich gewidmet; dies hatte die Gemeinde in den 90er Jahren irrtümlich versäumt. Nun will die Stadt Potsdam die Widmung nachholen – dafür braucht sie allerdings das Einverständnis jedes einzelnen Eigentümers. Außerdem sollen die Anrainer der Stadt im Grundbuch eine Dienstbarkeit für den öffentlichen Uferweg einräumen. Seit November 2009 verhandelt die Verwaltung mit den rund 40 Eigentümern darüber, ein erster Einigungsvertrag wurde im März unterzeichnet. Eine für alle geltende Rahmenvereinbarung hatten die Anrainer abgelehnt. In den Verhandlungen wurde auch über mögliche Bootsstege und Hecken in der Uferzone zur Abgrenzung des Privateigentums gesprochen. Eingriffe in das als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesene Ufer sind nach Auffassung der Stadt nur zurückhaltend möglich. Die Verwaltung nannte die Forderungen einiger Anrainer jüngst überzogen: „Wir sind nicht auf dem Basar“. Zugleich erhob die Verhandlungsgruppe der Stadt unter Führung von Bürgermeister Burkhard Exner (SPD) den Vorwurf, einige Eigentümer wollten die Gespräche bewusst scheitern lassen. Er sprach von „Sollbruchstellen“ bei den Verhandlungen. Bereits seit vergangenem Sommer sind am Südufer des Sees drei Grundstücke dicht.

Die neuen Wege-Sperrer in Groß Glienicke ließen gestern eine Erklärung von Partsch verbreiten. „Die mehrfach wiederholte Verhandlungsbereitschaft“ sei nun „final beendet“, heißt es darin. Die Seegrundstücke würden wieder zu „Gartenanlagen“ hergerichtet. Es sei aber „nicht beabsichtigt, im Bereich des früheren Mauerwegs bauliche Anlagen zu errichten“. Allerdings würden die Grundstücke „mit Pflanzen“ eingefriedet. Anwalt Partsch sagte, mehrfach habe die Stadtverwaltung gesetzte Fristen verstreichen lassen. Es habe während eines sechsmonatigen Prüfzeitraums keine konkreten Angebote zum Beispiel zu erforderlichen Baumfällungen oder zu Zaun- und Steg-Genehmigungen erhalten. Zudem habe die Stadtverwaltung Ende Februar mit selbst „geschlagenen Sichtachsen“ an zahlreichen Stellen am Süd- und Westufer nur „wenig deeskalierend“ gewirkt. Damit und vor dem Hintergrund wilder Badestellen am Westufer wirke die „Naturschutzargumentation“ der Verwaltung „karikaturhaft“, so Partsch. Aus all diesen und anderen Gründen bestehe nun aus Sicht der Eigentümer „keine Bereitschaft mehr, die seit Jahren unberechtigte öffentliche Nutzung ihrer Grundstücke weiter zu dulden“, hieß es.

Die Stadtverwaltung reagierte noch gestern. Nach einer Krisensitzung fuhr Oberbürgermeister Jakobs am Abend zur Seepromenade. Dort hatten sich rund 80 Bürger zu einer Demonstration gegen die Sperrung getroffen. Unter Jubel kündigte Jakobs an, die Sperrer würden noch am heutigen Mittwoch eine „Beseitigungsanordnung“ für Zäune und Hecken erhalten – diese seien nicht mit dem gültigen Bebauungsplan vereinbar. „Ob gegen diese Entscheidung geklagt wird, kann ich aber nicht sagen“, so Jakobs. Zugleich werde gegen die Sperrer ein Bußgeldverfahren eingeleitet, weil sie bei den Arbeiten „widerrechtlich“ Poller der Stadt bewegt hätten, hieß es von der Verwaltung – die Poller auf dem Uferweg hätten eingesetzten Baufahrzeugen im Wege gestanden. Zugleich forderte Jakobs die Eigentümer auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Für diese Aussage musste sich Jakobs aber auch Kritik von anwesenden, noch nicht sperrenden Uferanrainern gefallen lassen: Die Stadt verhandele nicht auf Augenhöhe, so ein Vorwurf; von der Verwaltung zugesandte Vertragsentwürfe seien ihrem Inhalt nach „erbärmlich“, sagte eine weitere Anwohnerin. Jakobs wies die Kritik zurück. Viele Groß Glienicker sind wütend auf die Sperrer. Der stellvertretende Ortsvorsteher Winfried Sträter (SPD) bezeichnete sie mit Blick auf den beliebten Spazierweg als „Gegenbürger, keine Mitbürger“. (mit SCH)

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