Links und rechts der Langen Brücke: Unbequeme Entscheidungen?
Henri Kramer über prinzipielle Fragen jenseits des erbittert geführten Streits um Tourismusabgabe oder Bettensteuer
Stand:
Chaostage im Stadtparlament: Den erbitterten Streit um die Frage, wie Potsdam die zur Verhinderung eines Eintritts für den Park Sanssouci vereinbarte jährliche Eine- Million-Euro-Zahlung an die Schlösserstiftung leisten soll, sollen die Stadtverordneten eigentlich nächsten Mittwoch entscheiden. Die von Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) favorisierte Tourismusabgabe ist politisch tot: Im Hauptausschuss gab es zwei von 15 Stimmen für die Abgabe, die 15 000 Unternehmen belastet hätte. Auch für die Bettensteuer gibt es keine sichere Mehrheit. Sollten beide Abgaben abgelehnt werden, droht für die Stadt eine Haushaltssperre.
Den Streit so emotional macht die Ausgangsposition: Die Finanzierung der Schlösserstiftung aus dem Potsdamer Haushalt. Dass eine Kommune eine von Bund und zwei Bundesländern finanzierte Stiftung mit Zuschüssen stützen soll, ist ein deutschlandweites Novum, das hat der Städte- und Gemeindebund bestätigt. Durch dieses Modell werden Kosten der Länder und des Bundes kommunalisiert – und über allem schwebt die Drohung, sonst einen Parkeintritt für alle einzuführen. Zugleich wurde Potsdam allein gelassen, bei keinem anderen Park in Berlin und Umgebung hätte ein Eintritt gelten sollen.
Vielleicht hätte Potsdam hart bleiben, einfach die Stiftung ihren Eintritt einführen lassen sollen – dann wären immer noch Klagen vor Gericht und organisierter öffentlicher Druck möglich gewesen. Schon einmal hatte die Stiftung mit ihrer verschärften Parkordnung (Stichwort: Fahrradschiebestrecken) ein Projekt vorangetrieben, dass nach heftiger Kritik aus der Bevölkerung zumindest teilweise zurückgenommen werden musste – vielleicht wäre das der Weg gewesen, mit einem Parkeintritt umzugehen? Das jetzt erreichte Resultat jedenfalls ist eine über zwei Zwangsabgaben tief zerstrittene Stadt und eine womöglich auch juristisch heikle Bettensteuer.
Die monatelange Diskussion über die Zwangsabgaben samt allerlei politischer Pirouetten – etwa die Grünen, die erst gegen den Parkeintritt waren und jetzt plötzlich dafür sind – wirft aber auch eine prinzipielle Frage auf: Sind die Stadtverordneten kurz vor einer Kommunalwahl überhaupt noch bereit, unbequeme Entscheidungen zu treffen? Zum Beispiel: Von Finanzierungsvorschlägen, wie Potsdam in den nächsten Jahren 160 Millionen Euro auftreiben soll, um neue Schulen speziell im Norden zu bauen, ist von den Stadtverordneten bisher erstaunlich wenig zu hören. Dabei müssen sie schon im nächsten Frühjahr erste Grausamkeiten entscheiden, dann geht es etwa um die Erhöhung der Grundsteuer, die Kosten für Mieter und Häuslebauer steigen lässt. Doch kommt so eine Erhöhung beim Wähler an? Allerdings ist auch die Alternative aus Sicht von Wahlkämpfern verheerend: Denn fallen die Entscheidungen zur Finanzierung nicht, könnten sich die Schulneubauten verzögern – mit allen Folgen für Kinder aus vielen zugezogenen, gut situierten Familien, die sich darauf verlassen haben, dass Schulplätze vorhanden sind. Auch hier geht es um viele Wähler.
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