zum Hauptinhalt
Die werden keine Freundinnen. Zumindest auf dem Fußballplatz kannten die Frankfurterin Dzsenifer Marozsan (li.) und Potsdams Johanna Elsig kein Pardon, als sie sich im vergangenen Juni gegenüberstanden. Auch am Sonntag wird der Klassiker kein Freundschaftsspiel.

© Jan Kuppert

Sport: Und ewig lockt das Duell

Das Duell zwischen Turbine Potsdam gegen den 1. FFC Frankfurt lebt von der Rivalität – die inzwischen gesundet ist

Stand:

Wenn im Fußball zwei Teams 46 Mal gegeneinander spielen, hat das Attribut des Klassikers wohl seine Gültigkeit. Erst recht, wenn es sich bei den Teams um die beiden erfolgreichsten Vereine des deutschen Frauenfußballs handelt. Am morgigen Sonntag werden mehrere Tausend Zuschauer im Karl-Liebknecht-Stadion (14 Uhr) Zeuge des alten und immer wieder jungen Duells zwischen dem 1. FFC Turbine Potsdam und dem 1. FFC Frankfurt.

850 Tickets sind im Vorverkauf raus, erwartet werden mehr als 3000 Zuschauer, der Hessische Rundfunk und der RBB haben für ihre Live-Übertragung ihre Kamerateams rekrutiert, beide Trainer schwören ihre Mannschaften ein. „Wir müssen ans Limit gehen“, wird Frankfurts Colin Bell auf der Vereins-Homepage zitiert. In Potsdam, so vermutet es Conny Pohlers, hat Trainer Bernd Schröder seine Spielerinnen schon seit Wochen immer wieder auf das Prestigeduell eingestellt. „Er blickt frühzeitig weit nach vorn“, sagt die 33-Jährige. Pohlers kennt beide Seiten – zehn Jahre stürmte sie für Turbine Potsdam, von 2007 bis 2011 spielte sie in Frankfurt. Aus eigener Erfahrung weiß sie, dass es bei all dem sportlichen Gegeneinander auf dem Platz im Vorfeld des Klassikers viele Gemeinsamkeiten gibt. „Als Spielerin ist einem schon klar, dass diese Spiele gewonnen werden müssen, um Meister zu werden“, sagt sie. „Man weiß, dass da nicht 100 Prozent reichen, sondern es 120 Prozent braucht“, sagt sie. In beiden Lagern werde man sich zu höchster Konzentration animieren: „Gegen andere Gegner kann man Fehler innerhalb der 90 Spielminuten korrigieren, in einem Top-Spiel kann ein Fehler hingegen entscheidend sein“, weiß Pohlers. Den Beleg dafür lieferte allein die letzte Begegnung beider Mannschaften vor gut vier Monaten: Vor 7000 Zuschauern verspielte Turbine in Frankfurt Meisterschaftschance und Champions-League-Teilnahme, weil die Hessinnen die fatale Chancenverwertung der an sich besseren Potsdamerinnen in letzter Sekunde gnadenlos mit dem 2:1-Siegtor bestraften.

Die Energie und das Selbstvertrauen, die bei einem Sieg aus solch einem Spiel getankt werden, können der Treibstoff für eine ganze Saison sein – vor allem, wenn das Duell bereits auf den dritten Spieltag fällt. „Das wird ein richtungsweisendes Highlight“, sagt Frankfurts Manager Siegfried Dietrich, der im Punkte-Kampf zwischen Potsdam und Frankfurt nicht nur die Meisterschaft im Blick hat, sondern auch den zweiten, für die Champions League notwendigen Platz.

Auch Turbine-Coach Schröder bestätigt die nachhaltige emotionale und mentale Bedeutung des Spielausgangs: „Das kann für den inneren Kompass schon wichtig sein.“ Erst recht, wenn die Spielerinnen – so wie einige seiner Schützlinge – sensibel seien. In dieser Hinsicht hält er die Frankfurterinnen mit Routiniers wie Kerstin Garefrekes oder Simone Laudehr für „abgezockter“. Zumal sich die Hessinnen zusätzlich in der Champions Leguae – im Falle einer Niederlage in der Liga – Erfolgsmomente verschaffen können. „Die Möglichkeit haben wir diesmal nicht“, bedauert Schröder das Fehlen einer zweiten Spielwiese, die Turbine als Vorjahresdritter verpasst hat.

Die Rivalität der beiden Vereine hat ihre Wurzeln nicht nur auf dem grünen Rasen. Sportlich ergibt sich die Konkurrenz allein durch die Erfolgsgeschichte beider Klubs und dem ehrgeizigem Anspruch, diese Jahr für Jahr fortzuschreiben. Ob Deutsche Meisterschaft, Pokal oder Champions League: Der Weg zu Titeln führt seit 20 Jahren über Potsdam und Frankfurt – und seit der jüngeren Vergangenheit auch über Wolfsburg. Aber auch Philosophie und kulturelle Herkunft beider Vereine spielten für deren Rivalität lange Zeit eine Rolle. Dort ein Klub aus der Stadt der Banken und der Finanzwirtschaft, hier eine Mannschaft, erwachsen aus einer Betriebssportgemeinschaft. „Das ungleiche Kräfteverhältnis hat natürlich über Jahre für Spannungen gesorgt, wenn unsere Spielerinnen abgeworben wurden“, sagt Schröder, was das Duell der beiden Klubs auch immer zu einem Vergleich der jungen Wilden aus Potsdam gegen die Routiniers aus Frankfurt machte. Doch letztlich sei es auch immer die Entscheidung der Athletinnen selbst gewesen, Turbine zu verlassen, schränkt Schröder ein und gibt zu: „Frankfurt wusste zu polarisieren und wir auf unsere Art ebenso.“

Inzwischen herrscht eine gesunde Rivalität. „Vieles hat sich gelegt und man hat aus der Vergangenenheit gelernt“, sagt Turbine-Spielerin Jennifer Zietz, mit 30 Jahren Dienstälteste im aktuellen Kader, auf dem Onlineportal „womanssoccer“. Natürlich wird sich auf dem Platz nichts geschenkt, sagt sie und auch Conny Pohlers weiß nur zu gut: „Da gibt es keine Freundinnen, auch wenn man sich vor dem Anpfiff freundlich Hallo sagt.“

Die Bilanz der bislang 45 Vergleiche ist nahezu ausgeglichen. 20 Mal siegten die Frankfurterinnen, 18 Mal Turbine. Sieben Partien endeten unentschieden. Die zwei Teams bewegen sich seit zwei Jahrzehnten auf Augenhöhe – trotz und gerade wegen ihrer Rivalität.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })