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Landeshauptstadt: Undiplomatische Mission

Der Scheinstaat „Germanitien“ hat Anhänger in Potsdam. Sie erkennen die Bundesrepublik nicht an

Von Taka-Tuka-Land und Absurdistan haben wohl viele schon einmal gehört und wissen auch, dass es diese Länder nicht gibt. Anders bei Germanitien: Es ist nur wenigen bekannt – diese jedoch glauben an seine Existenz. Anhänger des Scheinstaates haben nun in Potsdam-Babelsberg eine Art Botschaft eröffnet: „Diplomatische Mission des Staates Germanitien“, heißt es am Klingelschild des Hauses Alt Nowawes 41. Gleich daneben ist ein Plakat an die Tür geklebt, das das Gleiche noch einmal in größerer Schrift verkündet. Die Mission soll offenbar wahrgenommen werden.

Die Anhänger Germanitiens erkennen die Bundesrepublik Deutschland nicht an. 2009 haben sie einen eigenen „Staat“ gegründet. Seine Flagge ist Blau-Weiß-Blau gestreift, darauf prangt ein Adler mit ausgebreiteten Schwingen. Germanitien deklariere „das Gebiet von Gesamtdeutschland in den Grenzen von 1937 für sich“, heißt es auf der Internetseite www.germanitien.de. Dort finden sich auch Bilder von goldgelben Getreidefeldern, einer lächelnden Familie und von Kartoffelsuppe. Als seine Verfassung habe Germanitien die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte ausgewählt. Der Unterschied zwischen indigener und fremder Bevölkerung wird erörtert – wobei die Germaniten natürlich indigen sind. Verantwortlich für dieses Angebot ist laut Impressum Ulrike Kuklinksi aus Heilbronn, welches sich den Angaben zufolge nicht in Baden-Württemberg, sondern in Germanitien befindet.

Auf Kuklinksi wird auch verwiesen, wenn man sich in Babelsberg nach Germanitien erkundigt. „Die Hauptbotschaft wird sich melden und ihre Fragen beantworten“, sagt der Potsdamer Christian Stender, wenn man in Alt Nowawes 41 anruft. Er gehöre zur diplomatischen Mission. Genaueres möchte er am Telefon nicht sagen. Ähnlich wortkarg ist Carola Hartmann, die in der Innenstadt ein Küchenstudio betreibt. Dieses war vor seinem Umzug in dem Haus in Alt Nowawes ansässig. Die Räume dort stehen derzeit leer. Im Impressum der Internetseite des Küchenstudios findet sich neben den üblichen Angaben auch der Eintrag „Unternehmen wird geführt in Germanitien“. Was es damit auf sich hat, möchte Hartmann nicht erläutern. Sie habe viel zu tun. Die Hauptbotschaft werde sich melden. Das tat diese bis Freitagabend nicht.

Bei den von ihnen nicht anerkannten deutschen Behörden sind die Germaniten durchaus bekannt. Der Brandenburger Verfassungschutz rechne sie der Szene der sogenannten Selbstverwalter zu, hieß es auf PNN-Anfrage. Sie werden nicht vom Verfassungschutz beobachtet, aber in Abgrenzung zu den rechtsextremistisch motivierten „Reichsbürger“-Aktivitäten im Verfassungschutzbericht erwähnt, so Sprecher Wolfgang Brandt. Deren Aktivitäten hatten zuletzt in Brandenburg zugenommen. Der damalige Innenminister und heutige Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hatte zu Jahresbeginn vor ihnen gewarnt. Sie verweigern die Zahlung von Bußgeldern und Steuern oder fälschen Autokennzeichen. Der „Markt“ der selbsternannten Regierungen sei nahezu unüberschaubar und äußerst diffus. „Selbstverwalter“ bedienen sich der Argumentationsmuster rechtsextremistischer „Reichsbürger“, so Brandt. Gelegentlich treten bei „Selbstverwaltern“ Personen in Erscheinung, die in der Vergangenheit Berührungspunkte zum Rechtsextremismus hatten.

Die Selbstverwalter-Idee der Germaniten stößt jedoch immer wieder an Grenzen – vor allem juristische. So wurde im Juli eine Frau vom Amtgericht in Neu-Ulm verurteilt, weil sie im Namen Germanitiens einen Führerschein verkauft hatte. Und „Außenminister“ Guido K. muss sich derzeit vor dem Nürnberger Landgericht zusammen mit zwölf Geschäftspartnern wegen bandenmäßigen Betrugs mit einer Schadenssumme von 62 Millionen Euro verantworten – im historischen Gerichtssaal 600, dem Ort der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse. Da ist es verlockend, die Justiz nicht anzuerkennen.

In Potsdam trafen sich Anhänger Germanitiens Anfang September. Der „Außenminister“ veröffentlichte ein Foto von Schloss Sanssouci auf seiner Facebook-Seite. Nach Angaben der Stadtverwaltung habe sich jedoch noch kein Bürger mit Verweis auf die neue „Staatsbürgerschaft“ Germanitien abgemeldet.

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