Homepage: Unteilbarer Himmel
Zwischen Propaganda und Popkultur: Das Radio in der DDR. Ein Workshop der Zeithistoriker
Stand:
Zwischen Propaganda und Popkultur: Das Radio in der DDR. Ein Workshop der Zeithistoriker Von Jan Kixmüller Das Dilemma des Radios der DDR lag wohl darin, dass, man die Welten teilen konnte, den Himmel aber nicht. Die strikten Vorgaben der SED-Führung zu Inhalt und Form des Hörfunks wurden mit den Jahren des sozialistischen Staates zunehmend aufgeweicht. Einerseits durch die Eigendynamik des Mediums: der Unterhaltungsaspekt trat in den Vordergrund. Andererseits auch durch den Wettbewerb mit den West-Medien, die munter über Mauern und Zäune hinweg sendeten: wer hier wirken wollte, musste gehört werden. Der Workshop „Zwischen Pop und Propaganda“ des Potsdamer Zentrums für Zeithistorische Forschung (ZZF) versuchte sich unlängst der Gradwanderung des Ostradios zu nähern. Ein Tenor dabei: Das Propagandainstrument Radio verlor mit den Jahren an Wirkung. Allerdings wurde man, zumindest in den Anfangsjahren, in dem Versuch, den „sozialistischen Menschen“ über dieses Medium zu erziehen auch geschickter. Eine langfristig gegenläufige Entwicklung zwischen den kulturellen Chiffren des Kalten Krieges und den modernen Massenmedien macht Thomas Lindenberger vom ZZF aus. Je weiter sich die Massenmedien ausbreiteten, um so weniger wurde die Zweiteilung der Systeme vermittelbar. Auf beiden Seiten wohlgemerkt. Im Westen wich der Antikommunismus der frühen Nachkriegszeit einer Selbstironie, im Osten musste man immer mehr Bausteine des Westradios – Stichwort Unterhaltung – in das Programm einbauen, um die Zuhörer auf der „richtigen“ Frequenz zu halten. „Das anfangs als Erziehungsinstrument gedachte Radio wurde schließlich zum Unterhaltungsmedium“, so Lindenberger. Bestes Beispiel dafür die Entwicklung des Jugendsenders DT 64, der ab 1987 mehr Toleranz gegenüber westlicher Jugendkultur ermöglichte. Was als systemerhaltendes Zugeständnis gedacht war, ging nach hinten los. Über den Sender wurde die Popkultur als systemübergreifendes Weltbild verstetigt, so Lindenberger. Die Strategie, die Jugend mit West-Musik bei der Stange zu halten, verfestigte schließlich die Gültigkeit westlicher Maßstäbe. Was auch dazu beigetragen haben dürfte, die DDR von innen auszuhöhlen. Ein differenzierteres Bild vom DDR-Hörfunk wollte der Workshop zeichnen, ihn nicht nur als Propagandainstrument sehen. Auch Rolf Geserik kam für die immerhin 18-jährige Honecker-Zeit zu dem Schluss, dass das Radio weniger Erziehungsinstrument war als mehr Konsumgut und Gebrauchsgegenstand. Man hatte erkannt, dass es neben Bildung doch eher Zerstreuung war, was der Zuhörer im Radio suchte. Was nicht bedeutet, dass man den Erziehungsaspekt gänzlich fallen ließ. Folgt man den Ausführungen von Christian Könne (Uni Mannheim), so gab es, vor allem in den 60er Jahren noch, durchaus das Ziel, die Menschen über den Rundfunk für volkswirtschaftliches, sozialistisches Verhalten zu erziehen. Im Bereich der Wirtschaftspropaganda sollte das Radio die nötige Motivation erzeugen, um die Ökonomie voranzubringen. Allerdings kam die „gewöhnliche Propaganda“ zum Beginn der 60er Jahre zunehmend schlechter beim Publikum an. Die Veröffentlichung von Planzahlen und trocken-theoretischen Wirtschaftsdiskursen wurden laut Könne als langweilig empfunden. Worauf der Rundfunk reagierte: Aktionen wie etwa die „Diebische Elster“, bei der Materialhortungen in Betrieben aufgedeckt wurden oder „Helle Köpfe, heiße Herzen“, einer Show, die 1969 durch die Republik zog, um die Vorzüge des sozialistischen Systems aufzuzeigen, traten an die Stelle der Wirtschaftstheorie. Später bewährten sich dann vor allem ungewöhnliche Aktionen, wie etwa „Mit dem Herz dabei“, eine propagandistisch aufgeladenen Unterhaltungssendung. Gezeigt wurden Menschen, die sich an der sozialistischen Gesellschaft verdient gemacht hatten. „Diese Sendungen waren ein Quantensprung, die Arbeiter reagierten begeistert, die Unterhaltung wurde nun auch im DDR-Radio dringend notwendig“, stellt der Zeithistoriker fest. Ein interessantes Kapitel schließlich die letzten Züge des Ostradios, der zweijährige Niedergang des DDR-Rundfunks, der mit dem Umbruch 1989 begann. Hart ins Gericht geht die Historikerin Sylvia Dietl mit den Hörfunkmachern. Zwar seien die Mitarbeiter nicht als monolithischer Block zu sehen, doch vor allem die Führungsriege habe bis in den November 1989 und darüber hinaus an der alten Macht gehangen. „Auf den Oppositionszug zu springen wurde vermieden, die Diktatur wurde weiter unterstützt“, so Dietl. Von der Fluchtwelle, den Friedensgebeten und Demonstrationen sei zu dieser Zeit noch nichts gesendet worden. Erste Lockerungen folgten, doch noch keine freie Berichterstattung. Die „Angst der Herrscherclique vor dem Untergang“ habe eine Liberalisierung wieder Willen gefördert. Auch in dieser Phase hatte DT 64 eine Vorreiterrolle, hier gab es recht früh schon erste kritische Interviews und Berichte, später wurde bei dem Jugendsender die gesamte Führungsriege gewechselt. Mit der Modrow-Regierung wuchs zwar – was ein Zeitzeuge bei dem Workshop betonte wissen wollte – auch auf den anderen Kanälen die Zahl der kritischen Beiträge. Doch Sylvia Dietels Fazit bleibt eindeutig. Bis zum Übergang in die Länderrundfunkanstalten zum 31.12. 1991 sei das DDR-Radio von Parteigänger-Seilschaften durchsetzt geblieben.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: