
© A. Klaer
Von Henri Kramer: Unter Verdacht
Durchsuchungen bei Potsdamer Bildungsträger Educon / Staatsanwaltschaft geht Betrugsvorwürfen nach / Bildungsministerium kündigt „Tiefenprüfung“ an
Stand:
Von außen wirkte alles wie ein normaler Schultag. Doch im Hauptgebäude des Bildungsträgers Educon durchsuchten Polizisten gestern stundenlang die Geschäftsräume, nahmen Akten mit und machten Fotos. Vor dem prächtigen Backsteinbau führte ein Wachposten eine Liste, wer das Gebäude in der Berliner Straße 135 verlässt und wer hineingeht. Mit erheblichem Personaleinsatz vom Landeskriminalamt ging die Potsdamer Staatsanwaltschaft im Fall Educon vor, um Beweismaterial zu sichern. Insgesamt wurden 18 Räume der Educon-Firmengruppe in vier Bundesländern durchsucht.
Der Verdacht wiegt schwer. Ermittelt wird wegen Subventionsbetrug, Betrug und Untreue, es geht um vier Beschuldigte aus der Unternehmensspitze. Mittels „unrichtiger“ Angaben sollen die Gesellschaften der Educon seit 2005 mehr Fördergeld als berechtigt erhalten haben, sagte Tom Köpping, Sprecher der Staatsanwaltschaft, den PNN. Die Schadenssumme könnte im sechsstelligen Bereich liegen. Zu den möglicherweise geschädigten Institutionen gehört beispielsweise das Bildungsministerium Brandenburg.
„Die Educon-Gruppe bestreitet alle Vorwürfe“, sagte Educon-Anwalt Christoph Partsch, der in Potsdam auch Anrainer bei den Uferweg-Streitigkeiten am Groß Glienicker und am Griebnitzsee vertritt.
Die Educon AG hat etliche Tochterfirmen, die etwa Berufsaus- und -weiterbildungen sowie Schulungen durchführen. Zuletzt gab es laut Geschäftsführung 1200 Schüler allein in Brandenburg. In Berlin werden Bachelor-Studiengänge wie Set-Design angeboten. Weitere Standorte sind Düsseldorf, Bochum, Stuttgart, Leuna und Cottbus. Ehrenvorsitzende des Fördervereins der Educon-Gruppe ist die bekannte Fernsehrichterin Barbara Salesch. Im Internet wirbt die Educon mit einer erfolgreichen 18-jährigen Firmengeschichte, sie verfüge über „ausgezeichnete Kontakte in Wirtschaft und Politik, zu privaten und staatlichen Förderinstitutionen sowie zu Kapitalgebern“.
Zumindest die Beziehungen zum brandenburgischen Bildungsministerium hatten sich in den vergangenen Wochen bereits verschlechtert. Erst am vergangenen Freitag hatte Educon in einer Pressemitteilung von einem „Datenschutzskandal“ gesprochen, weil das Ministerium Educon-Schüler direkt angeschrieben habe, um von ihnen Details über ihre Schule zu erfahren. Nie habe der Schulträger eine Auflistung der Adressen an das Ministerium gegeben, hieß es – was vom Ministerium bestritten wird. Educon kritisierte das Vorgehen als „Verstoß“ gegen den Datenschutz und stellte nach eigenen Angaben Strafanzeige. Dazu hatte Educon festgestellt: „Von den Schülern wird das Ministerium keine Auskunft bekommen.“ Inzwischen liegt der Fall beim Landesdatenschutzamt, es hat beim Ministerium um Stellungnahme gebeten. „Allerdings darf ein Fördermittelgeber Daten nutzen, um Leistungsbezieher zu überprüfen“, sagt Amtssprecherin Lena Schraut.
Im Fall Educon geht es um hohe Fördersummen. Laut Bildungsministerium haben die genehmigten Ersatzschulen der Firmengruppe im Land Brandenburg seit dem Schuljahr 2006/2007 insgesamt rund 17,5 Millionen Euro erhalten. Die Förderung richte sich nach der angegebenen Schülerzahl, sagte Ministeriumssprecher Stephan Breiding. Im laufenden Schuljahr liege der Satz bei etwa 4500 Euro pro Schüler. In der kommenden Woche werde bei den Educon-Schulen eine „Tiefenprüfung“ der gemeldeten Schülerzahlen eingeleitet, sagte Breiding gestern.
Die Prüfung aller Vorwürfe dürfte langwierig werden. Auffällig bei Educon sind eine verzweigte Firmenstruktur und Kooperationsunternehmen, in denen wiederum führende Köpfe von Educon in Spitzenpositionen sitzen. Educon-Geschäftsführer Klaus B., einer der laut Staatsanwaltschaft vier Tatverdächtigen, hatte dieses Geflecht vor Wochen gegenüber den PNN als „üblich“ für einen privaten Betrieb dargestellt. Während der gestrigen Razzia wirkt er nicht so gefasst. „Wenden Sie sich gefälligst an die Pressestelle“, herrschte er Journalisten an. Die zuständige Pressesprecherin erfuhr erst durch die PNN von der Razzia.
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