Spitze-Affäre bei Potsdams Stadtwerken: Urteilen soll der Aufsichtsrat
Oberbürgermeister will „faires Verfahren“ in Gremien / CDU-Kreischefin Reiche: Jakobs deckelt Affäre
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Erst die Fraktionen, dann die Rathaus-Kooperation aus SPD, CDU, Bündnisgrünen und FDP: Die Spitzel-Affäre um Stadtwerke-Chef Peter Paffhausen stand am Montagabend bei allen Treffen der Stadtpolitik im Rathaus auf der Tagesordnung. Konkrete Ergebnisse wurden zunächst nicht bekannt.
Auch Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) handelte. Auf Forderungen aus FDP und SPD, Paffhausen müsse bis zur Klärung der Vorwürfe suspendiert werden, ging er jedoch nicht ein. Stattdessen wurde ein neuer Fahrplan für die Gremien festgelegt, in denen die Affäre behandelt werden soll: Statt Freitag soll der Aufsichtsrat der Energie und Wasser Potsdam GmbH (EWP) – das entscheidende Gremium für den Umgang mit den Spitzelvorwürfen gegen Stadtwerke- und EWP-Chef Paffhausen – nun am Mittwochnachmittag zur Sondersitzung zusammenkommen. Für 18 Uhr ist die von der SPD-Fraktion beantragte Sondersitzung des Hauptausschusses des Stadtparlaments geplant. Wahrscheinlich wird sie nicht-öffentlich stattfinden.
Position in der Sache bezog Jakobs auch am gestrigen Montag nicht. Offensichtlich auch, um Medienanfragen zu entgehen, ließ er sich bei öffentlichen Terminen – so dem Empfang der SPD zum 75. Geburtstag des ehemaligen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe im Nikolaisaal – nicht blicken. Das anstehende Verfahren erklärte Jakobs per Pressemitteilung. Es sei notwendig, um „die Rechte der Aufsichtsratsmitglieder und den Schutz der im Verfahren Betroffenen“ zu sichern. Stadtwerke-Chef Paffhausen äußerte sich auf Anfrage weiterhin nicht zu den Vorwürfen gegen ihn. Er verwies als Begründung auf die vorgezogene Aufsichtsratssitzung am Mittwoch. Dem Vernehmen nach hat ihm Jakobs öffentliche Statements untersagt. Paffhausens Vertrag als EWP-Chef läuft nach einem Dokument, das den PNN vorliegt, noch bis Ende 2014. Scheidet er bei der EWP aus, sei er gleichzeitig auch nicht mehr Stadtwerke-Chef, heißt es weiter. Die E.On Edis AG, Minderheitsgesellschafter der EWP, äußerte sich gestern auf Anfrage nicht zur Spitzel-Affäre.
Die Potsdamer CDU-Kreischefin und Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, Katherina Reiche, erneuerte ihre Forderung nach Aufklärung. Es müsse klar werden, ob es um Unternehmens- oder Personendossiers gehe, wie umfangreich diese seien, ob Datenschutzrechte missachtet wurden. Fragen wirft für Reiche aber auch der Umgang des Oberbürgermeisters mit der Affäre auf: Sechs Monate habe Jakobs brisantes Wissen über das Spitzel-Schriftstück gehabt, aber nichts gesagt – öffentlich geworden war die Affäre durch Medienrecherchen. „Warum deckelt Jakobs den Bespitzelungsverdacht?“, fragte Reiche, „Wollte er es verheimlichen?“ Für das Unternehmen Stadtwerke sei bereits ein „Riesen-Imageschaden“ eingetreten. Dabei sei es Aufgabe des Aufsichtsratschefs und Oberbürgermeisters Jakobs, einen solchen abzuwenden. Zu möglichen Motiven für Jakobs’ Agieren wollte Reiche nicht spekulieren. Allerdings verfüge „wie das Land Brandenburg auch Potsdam über hinreichend Netzwerke, die sich gegenseitig stützen“. Reiche weiter: „Da scheut man sich vor notwendigen Konsequenzen.“
Bekannt sind die Querverbindungen zwischen Paffhausen als Stadtwerke- und EWP-Chef und vor allem Sportvereinen, die von den städtischen Unternehmen gesponsert werden – dazu gehören der SV Babelsberg 03, dessen Aufsichtsratsvorsitzender Paffhausen ist, sowie der 1. FFC Turbine Potsdam. Dessen Vize-Präsident Rolf Kutzmutz sitzt für die Linke im Stadtparlament und ist EWP-Aufsichtsratsmitglied. Linke-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg sitzt ebenfalls im EWP-Aufsichtsrat. Er ist ehrenamtlich Abteilungsleiter Volleyball beim SC Potsdam – einer der Hauptsponsoren auch für das erfolgreiche Damen-Team in der ersten Bundesliga ist die EWP. Weitere Aufsichtsratsmitglieder sind Mike Schubert und Hannelore Knoblich (beide SPD) sowie Peter Lehmann (CDU).
DIE AFFÄRE
Getarnte Recherchen
Hintergrund der Spitzel-Affäre ist der Vorwurf, Stadtwerke-Chef Peter Paffhausen habe 2001 die damalige städtische Gewoba und deren Chef, Horst Müller-Zinsius, vor dem Hintergrund einer möglichen Übernahme heimlich ausspionieren lassen. Den Bericht hat die Berliner Firma „UP Sicherheitsmanagement“ angefertigt, dessen Chef Uwe Petzold ehemals hauptamtlich für die Stasi arbeitete. Müller-Zinsius soll den dreiseitigen „Zwischenbericht“ im November 2010 mit einem anonymen Schreiben samt Hinweis auf Paffhausen als Urheber im Briefkasten gefunden haben. Er habe Jakobs im Dezember 2010 informiert, dieser gab bei Rechtsanwalt Joachim Erbe einen Prüfbericht in Auftrag, der seit April 2011 vorliegt, aber bisher geheim ist. Aufsichtsratschef des EWP-Vorläufers EVP war 2001 der damalige Oberbürgermeister und heutige Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD). Regierungssprecher Thomas Braune sagte auf Anfrage, Platzeck habe von der Spitzelei, so sie denn stattgefunden habe, keine Kenntnis. In dem Spitzel-Bericht wird anhand „legendierter“ – getarnter – Gespräche mit Mitarbeitern vor allem die vermeintliche Lage der Gewoba analysiert. Es herrsche ein „frostiges Betriebsklima“. Müller-Zinsius wird als „cleverer wie sein Vorgänger“ eingeschätzt. Ihm werde aber unterstellt, dass er die „Tradition der persönlichen Vorteilsnahme“ weiterführe. Der Bericht kündigt „weitere Maßnahmen“ an. Von der „,Befragung’ weiterer Mitarbeiter“ werde jedoch „vorerst Abstand genommen“. SCH
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